PETER DANCKERT
Der Sportpolitiker kritisiert den DOSB für dessen Freibrief an China und fordert ein Anti-Doping-Gesetz.
Freuen Sie sich auf die Olympischen Spiele in Peking?
Ich denke, dass sich jeder, der dem Sport verbunden ist, auf dieses Großereignis, das ja nur alle vier Jahre stattfindet, freuen kann und freuen muss. Natürlich ist ein dunkler Schatten auf die Spiele gefallen, durch die Ereignisse der vergangenen Wochen. Man kann nur hoffen, dass sich da Veränderungen ergeben - sodass wir dann ziemlich unbeschwert nach Peking fahren können -Sportler wie Politiker.
Gesetzt den Fall, Sie hätten 2001 im IOC gesessen, hätten Sie sich auch für Peking entschieden?
Ich will nicht sagen, dass ich mich nicht für Peking entschieden hätte. Bestimmte Länder sind eben irgendwann mal dran mit den Spielen. China gehört sicherlich dazu. Man hätte damals allerdings das Thema Menschenrechte sehr viel klarer in die Vereinbarung zwischen dem IOC und der Stadt Peking einbauen müssen. Da hat man nur auf das zurückgegriffen, was immer vereinbart wird - obwohl die Situation in Peking eine ganz besondere ist. Das wusste das IOC, das wussten die Mitglieder, das hat im Rahmen der Bewerbung eine Rolle gespielt. Es ist allerdings nicht richtig vertraglich festgeschrieben worden.
Hat das IOC also einen Fehler gemacht?
Aus heutiger Sicht hat man einen Fehler gemacht. Wir sind etwas sehr blauäugig herangegangen. Das betrifft weniger die aktuelle IOC-Spitze als viel mehr den damaligen Präsidenten Juan Antonio Samaranch. In dem Moment, in dem es einen Zuschlag gibt, kann man ja kaum noch Dinge nachträglich vertraglich regeln. Man hätte das in das Pflichtenheft von vornherein aufnehmen müssen.
Vielleicht gab es ganz andere Gründe? China ist ein gigantischer Markt…
Es gibt über die Verhandlungen im IOC keine Protokolle, so dass das fast Kaffeesatzlesen ist. Ich persönlich neige der Vermutung zu, dass Samaranch aus überwiegend kommerziellen Gründen sich für Peking eingesetzt hat.
Ist die Entscheidungsfindung im IOC bewusst so undurchsichtig angelegt?
Mich erinnert das Prozedere im IOC an die Papstwahl: das Konklave. Dort schließt man sich weg, nichts wird verlautbart und irgendwann heißt es dann: Wir haben einen Papst oder übersetzt: Wir haben einen Gewinner, wo demnächst die Olympischen Spiele ausgetragen werden. Diese Intransparenz ist nicht zeitgemäß. Das IOC ist gut beraten, sich darüber Gedanken zu machen.
Nun soll der Sport in China geradebiegen, was Generationen von Politikern nicht geschafft haben. Ist der Sport damit nicht hoffnungslos überfordert?
Der Sport ist nicht dazu berufen, Dinge zu lösen, die Politik und Wirtschaft nicht lösen können. Damit würde man ihn überfordern. Aber zu behaupten, Sport habe nichts mit Politik zu tun, ist ebenso abwegig. Sport ist als Teil unserer Gesellschaft auch Teil von Politik. Der Sport ist deshalb nicht politisch neutral. Ein klares Wort von IOC-Präsident Jacques Rogge zum Thema Menschenrechte hätte der olympischen Bewegung sehr gut getan. Der Sport hat in der Welt auch eine politische Verpflichtung. Wie ein Neutrum durch die Welt zu wandern, das ist naiv.
Der Deutsche Olympische Sportbund hat sehr früh festgelegt: Wir fahren nach Peking, komme was da wolle. Kann der DOSB grundsätzlich überhaupt eine solche weitreichende Entscheidung alleine treffen? Diese wichtige Entscheidung hat schließlich auch eine politische Bedeutung...
Zu dieser frühen Festlegung bestand überhaupt keine Veranlassung. Es hätte völlig ausgereicht, wenn man intern den Sportlern gesagt hätte: Freunde, es müsste schon die Welt untergehen, damit wir nicht nach Peking fahren. Bereitet Euch ohne Wenn und Aber so vor, als wenn die Spiele stattfinden. Mit der klaren öffentlichen Äußerung hat der DOSB den Verantwortlichen in China einen Freibrief gegeben. Das halte ich für überflüssig und unklug.
Welche Mögflichkeiten, konkret Einfluss zu nehmen, hätte die Politik denn überhaupt?
Der deutsche Spitzensport wird vom Bund gefördert - alles in allem mit rund 200 Millionen Euro. Ein Teil davon sind auch Steuergelder, die für die Entsendung von Mannschaften zu Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften beigesteuert werden - rund 4,2 Millionen Euro. Natürlich ist die letzte Entscheidung, ob Fördermittel für einen bestimmten Zweck zur Verfügung gestellt werden Sache des Parlaments. Wenn dieses Parlament - theoretisch gesprochen - wegen einer zugespitzten Lage in China, die sich niemand wünscht, entscheiden würde, wir sind nicht bereit, unsere Sportbotschafter für eine Reise in ein Regime wie China mit Steuergeldern zu unterstützen, dann wird das Geld nicht zur Verfügung gestellt.
Reicht denn dieser Einfluss? Schließlich repräsentieren die Sportler Deutschland...
Wir haben eine auf relativ tönernen Füßen stehende Spitzensportförderung - das weiß auch der DOSB. Wir haben keine Regelung im Grundgesetz, wir haben kein Sportfördergesetz. Nur aus der gesamtstaatlichen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland ist das Parlament berechtigt, Spitzensport zu fördern. Wenn diese gesamtstaatliche Verantwortung es nicht gerechtfertigt erscheinen lässt, solche Mittel zur Verfügung zu stellen, dann kann das Parlament sie auch nicht freigeben.
Mit Blick auf Peking werden viele Doping-Horrorszenarien gemalt - insbesondere die Chinesen werden verdächtigt. Berechtigte Ängste?
Die Fähigkeit zum Manipulieren im Sport ist heute sehr ausgeprägt. Ich gehe nicht davon aus, dass es in China viele positive Dopingproben geben wird. Nur die ganz Dummen lassen sich heute noch erwischen. China selber wird alles dafür tun, nicht einen einzigen eigenen Dopingfall zu haben. Das wäre die größte Schande für die Gastgeber.
In Deutschland haben wir seit vergangenem Jahr neue gesetzliche Regelungen zum Doping, aber kein eigens Antidoping-Gesetz, für das Sie kämpfen. Wo hakt es?
Ich würde allen Beteiligten unterstellen, dass Sie an einem sauberen Sport interessiert sind. Aber es wurden bewusst Fehlinformationen herausgegeben zum Verhältnis Sportgerichtsbarkeit und Strafgerichtsbarkeit…
…Sie meinen den Vorwurf, dass Sportler kriminalisiert werden sollen…
Ja, das ist eine völlig abwegige Formulierung. Wir wollen Sportler nicht kriminalisieren, sondern wir wollen Sportler mit Sanktionen belegen, die sich kriminell verhalten. Der Vorwurf, dies beeinflusse die Sportgerichtsbarkeit ist total abwegig. Es gibt keinen Beleg dafür.
DOSB-Präsident Thomas Bach ist mit den Regelungen zufrieden: Der Sport habe einen viel besseren Zugriff auf die Sportler und könne härter sanktionieren als der Staat - etwa durch Sperren.
Ich teile diese Auffassung von Herrn Bach überhaupt nicht. Sie ist durch nichts belegt. Die These setzt voraus, dass man in der Lage ist, einen Sportler des Dopings zu überführen - dann ist das zur Verfügung stehende Instrumentarium des Sports gut. Aber bis dahin ist es sehr wirkungslos. Der Sport hat nicht die Befugnisse, Hausdurchsuchungen und Zeugenbefragungen vorzunehmen. Das Einzige, woran angeknüpft werden kann, ist die positive Dopingprobe oder die verweigerte Dopingprobe. Dann erst hat der Sport Möglichkeiten zu agieren.
Was brauchen wir also?
Wir brauchen ein besseres Instrumentarium, ein besseres Gesetz als das, was wir zurzeit haben. Ich bin aber froh, dass wir den jetzigen Kompromiss wenigstens gefunden haben, aber wir brauchen ein eigenes Anti-Doping-Gesetz.
Das Interview führten
Götz Hausding und Sebastian Hille.
Dr. Peter Danckert ist Vorsitzender des Sportausschusses des Bundestages.