Medien
Die Presse ist ein Akteur in der Politik - aber anscheinend ein recht harmloser
Die "Bild"-Titelseite mit dem prügelnden Joschka Fischer, FAZ-Chef Frank Schirrmachers Aktion gegen die Rechtschreibreform, genauso wie Friede Springers Unterstützung von Angela Merkel: Wie eng Medien und Politik hierzulande bei aller zur Schau getragenen Distanz verbandelt sind, ist eine Binsenweisheit. Scheinbar. Denn während die politische wie die journalistische Kaste in dieser Realität agieren, kämpft sich die Forschung meist an der überholten Idee der reinen Objektivität ab: Was nicht sein darf, das nicht sein kann.
Was für eine Labsal also: Endlich ein Buch, in dem die Damen und Herren Kommunikationswissenschaftler sich nicht winden, ob und wieso überhaupt Medien als politische Kraft gelten können. Nein, hier steckt die Prämisse erfrischenderweise schon im Titel: "Massenmedien als politische Akteure" - Punkt.
Die Herausgeberinnen Barbara Pfetsch und Silke Adam setzen mit diesem Sammelband ganz explizit auf die Annahme, dass Medien "Realität konstruieren", distanzieren sich jedoch gleichzeitig von dem Pauschalvorwurf des absichtsvollen medialen Manipulierens: "Die Zurückhaltung in der Forschung ist möglicherweise dem Umstand geschuldet, dass die Idee von Medien als politischen Akteuren zunächst unbehagliche Assoziationen provoziert."
Was dann folgt, ist glücklicherweise nicht das übliche Themen-Tableau rund um Boulevard-Medien als Propaganda-Instrument. Zwar taucht eine Analyse des sich wandelnden "Bild"-Tenors in der Berichterstattung über Hartz-IV auf, unter der herrlich süffisanten Schlagzeile "Guter Boulevard ist immer auch außerparlamentarische Opposition". Aber das ist der einzige Ausreißer, ansonsten nehmen die Beiträge Aspekte unter die Lupe, die sonst nur stiefmütterlich behandelt werden. So widmet sich der Auftakt etwa buchstäblich einer Marginalie: Zeitungskommentare, legt Christiane Eilders dar, stellen eine Kommentaröffentlichkeit her - und bilden somit den pluralistischen Chor politischer Akteure ab. Knapp, präzise, erhellend.
Wie im Reagenzglas beobachtbar ist die Akteursrolle der Medien in Demokratien, die erst lernen, Demokratien zu sein. Nur konsequent also, dass sich Katrin Voltmer die "Transformation der Massenmedien in neuen Demokratien" vornimmt. Ex-Militär-Diktaturen und ehemals kommunistische Länder, so ihre Erkenntnis, bringen ganz unterschiedliche Vorstellungen von freier Berichterstattung hervor. Eine Presse, die traditionell Propaganda-Instrument war, kann sich von den Zirkeln der Macht augenscheinlich nicht so leicht verabschieden. "Die Medien können offenbar nur so demokratisch sein wie das politische System, in dem sie operieren."
Die freie Presse als Indiz für Demokratie: In Zeiten zunehmender Personalisierung der Politik und Lobbyisierung der Presse zeugt diese Haltung von einer gewissen Überheblichkeit. Voltmer legt den Finger in die Wunde, indem sie feststellt, dass eben jene "Medienlogik die Qualität moderner Demokratien in alarmierender Weise untergräbt". Im Lichte dessen sind die Ergebnisse der anderen Analysen überraschend: Egal ob die Frage lautet, ob die Medien sich während des Irak-Kriegs zu eigenständigen Außenpolitikern aufgeschwungen haben (nein), ob französische und deutsche Medien während der EU-Erweiterungsdebatte zu Agendasettern wurden (nein), ob die europäische Presse dem österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider nach seinem Wahlerfolg fast unisono ablehnend gegenüber- stand (ja): Die Presse erscheint bizarrerweise eher als eine Horde zahnloser Hunde denn als zupackende Meute.
Doch, na klar, wenn es um die Wurst geht, können Zeitungen und Fernsehanstalten auch mal die Zähne blecken. In den USA haben explizite Wahlempfehlungen Tradition. In Deutschland ist dies bislang verpönt. Aber vielleicht ziehen die Medienakteure auch hier bald ihre Lefzen hoch. Im Herbst 2009 zum Beispiel.
Massenmedien als politische Akteure. Konzepte und Analysen.
VS Verlag, Wiesbaden 2008; 286 S., 29,90 ¤