Als Kind lernt man - zumindest war das früher mal so - dass man die Gespräche der Erwachsenen nicht jederzeit durch lautes Brüllen unterbricht, sondern sich vorher höflich bemerkbar macht. In den Debatten der Erwachsenen, die sich seit einiger Zeit rund um das Thema Kinder entzünden, kommen die Einwürfe auch ungefragt und von allen Seiten. Denn das Besondere ist: Jeder hat etwas dazu zu sagen, jeder weiß, was das Beste für Kinder ist. Besondere Qualifikationen spielen keine Rolle - ob fünffache Väter oder solche, die es noch oder nie werden (wollen), ob kinderlos gebliebene Paare oder wenigstens der Nachbar einer kinderreichen Familie: alle haben eine mit Emotionen besetzte Meinung, da bleibt die Höflichkeit auch mal auf der Strecke und es fallen dann Worte wie "Gebärmaschine" und "Herdprämie".
Wie enorm der Nachholbedarf in Sachen Kinderförderung ist, rückte zum ersten Mal mit den Pisa-Studien ins kollektive Bewusstsein und sorgte für einen Schock. Das deutsche Bildungssystem entlässt, so das Fazit damals, eine erschreckend hohe Anzahl von Teenagern in ihre berufliche Zukunft, denen es an grundlegenden Kompetenzen fehlt. Seitdem hat sich die Debatte weitergedreht: Nicht nur in der Schulzeit, sondern weit vorher müsse die Entwicklung der Kinder gezielter gefördert werden: frühkindliche Bildung heißt nun das Schlagwort.
Doch Förderung von Kindern kann sich nicht nur auf bessere Kindergärten und Schulen beschränken. Sollen Kinder die besten Chancen für ihre Zukunft bekommen, müssen auch die Rahmenbedingungen innerhalb der Familien stimmen.
Was bedeutet es, in diesem Land ein Kind zu sein? Das ist die zentrale Frage dieser Themenausgabe. Es liegt in der Natur der Sache, dass alles bei den Eltern beginnt. Was beeinflusst die Entscheidung für ein Kind? Dass dies nicht allein der Kinderwunsch ist, wird daran deutlich, dass diesen Wunsch weit mehr Menschen äußern, als es die Geburtenrate nahe legt.
Ist das Kind geboren, treibt die Eltern die Frage um: Was ist das Beste für mein Kind? Aus Sorge um deren Entwicklung überfordern viele Eltern jedoch ihre Kinder, indem sie schon Dreijährige vom Sprachkurs zum Musikunterricht hetzen und viel Energie auf die richtige Wahl des Kindergartens und der Schule verwenden (müssen). Doch was erwartet die Kinder dann dort?
Gleichzeitig unterfordern sie ihre Kinder, indem sie vergessen, dass auch das Miteinander klare Regeln braucht, dass Kinder nicht immer vor schwierigen Situationen beschützt werden können, sondern lernen müssen, diese zu meistern.
Leider gibt es auch Familien, die für Kinder kein Schutzraum sind und in denen sich die Frage nach dem "Besten" nicht stellt. Auch dieses Problem wird die vorliegende Ausgabe nicht ausklammern.
Eltern, Kindergärtnerinnen, Lehrer und Psychologen - sie alle kümmern sich um die Erziehung unserer Kinder und sie alle kommen deshalb zu Wort. Und die Kinder? Sie auch.