Politisches Theater hat in Deutschland eine lange Tradition. Lessing, Schiller, Goethe und Büchner rezipierten in ihren Stücken die Ideen der Aufklärung. Die beispiellose Blüte des oppositionellen Theaters in der kurzen Weimarer Republik wurde von den Nationalsozialisten jäh beendet. In der jungen Bundesrepublik diente das Theater der Selbstvergewisserung einer Gesellschaft, die sich schuldig gemacht hatte. Der DDR galten Brecht und das Berliner Ensemble zugleich als Instrumente zur Erringung außenpolitischer Reputation.
Der gesellschaftliche Umbruch der 1960er Jahre spiegelte sich im Theater wider. Werktreue Inszenierungen galten als verstaubt, und auf der Bühne wurde demokratische Mitbestimmung eingefordert. Das moderne Regietheater führt indes nicht selten zur Überhöhung des Regisseurs auf Kosten der Schauspielerinnen und Schauspieler.
Doch Theater findet nicht nur auf der Bühne statt. Die Theatralisierung des politischen Alltags zur Legitimation gesellschaftlicher Zustände ist weit fortgeschritten. Das Fernsehen bedient sich der Theaterschauspieler und lockt mit großen Gagen. Ist Theater in Zeiten städtischer Spar- und allgegenwärtiger Rechtfertigungszwänge, unter dem Druck einer ausufernden Spaßgesellschaft noch relevant, ist es "politisch"? - Trotz der explosionsartigen Entwicklung der audiovisuellen Medien ist Theater, das den Mut zu langem Atem besitzt, unverzichtbar. Der scharfe Blick auf eine verunsicherte Gesellschaft, die öffentliche Debatte in Zeiten ideologischer Unübersichtlichkeit sind notwendig. Theater wirkt als Zukunftslaboratorium und Traumfabrik zugleich - auch wenn, wie Claus Peymann klagt, die Stücke (noch) fehlen, um die Globalisierung, den "Weltkapitalismus", kreativ zu deuten.