Auch nach dem Bildungsgipfel ist unklar, wer zu welchem Zeitpunkt die zusätzlichen Gelder für die Bildung bereitstellen soll. Sind Sie enttäuscht?
Bei den dringendsten Problemen hat uns der Gipfel leider keinen Schritt vorangebracht. Wir müssen besonders schwache und starke Schüler gezielt fördern und den Lehrermangel bekämpfen. Es braucht eine inhaltliche Festlegung von Schulstoff in den einzelnen Fachbereichen und nicht nur vage Standards in bestimmten, vor allem naturwissenschaftlichen Bereichen. Wir sollen mündige Kultur- und Staatsbürger heranziehen, aber wenn ich sehe, wie wenig die Schüler etwa im Bereich der Zeitgeschichte wissen, wird mir Angst und Bange. Und beim Geld wäre ich tatsächlich glücklich gewesen, wenn es konkrete Vereinbarungen gegeben hätte.
Glauben Sie nicht, dass das Geld kommen wird?
Ich habe meine Zweifel. Wenn ich gerade sehe, welche Auswirkungen die Finanzkrise hat, könnte ich mir gut vorstellen, dass die Finanzminister ihre Begehrlichkeiten haben. Da wird wohl eher spekuliert, dass man im Bildungsbereich noch sparen kann. Ich halte es da mit Faust: Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.
Ist an der Misere auch die Tatsache schuld, dass Bildung seit der Föderalismusreform allein Sache der Länder ist?
Nein, ich glaube nicht. Die Reform hat dazu geführt, dass wir im Bildungsbereich Wettbewerb haben und man sich nicht zentralstaatlich auf unterstem Niveau einigt. Es ist ja schon gelungen, zentrale Abiturprüfungen in fast allen Bundesländern zu installieren, das ist der richtige Weg. Natürlich sehe ich mit Bedauern das enorme Nord-Süd-Gefälle, aber immerhin haben wir auch Bundesländer, wo das Bildungsniveau im internationalen Vergleich sehr gut ist. Da erwarte ich einfach, dass sich die schwächeren Länder ein bisschen nach der Decke strecken. Das wird aber mit den derzeitigen Rahmenbedingungen schwer.
Warum?
Von insgesamt 800.000 Lehrern gehen in den nächsten zehn Jahren 300.000 in Rente. Ich habe Angst, dass man den Rückgang der Schülerzahlen dazu nutzen wird, an dieser Stelle zu sparen. Aber so kann man weder die angestrebte Verjüngung der Lehrerschaft noch pädagogische Verbesserung erreichen.
Sie sind selbst Leiter eines Gymnasiums. Mit welchen Neuerungen könnten Sie am meisten anfangen?
Ich würde darum bitten, dass man den Schulen einen fünfprozentigen Lehrerstunden-Zuschlag gewährt. An einer Schule mit 1.000 Schülern wären das etwa 70 zusätzliche Stunden, die ich sofort in zusätzliche Angebote stecken würde, etwa Deutsch-Unterricht für Migrantenkinder, Mathe-Nachhilfe oder individuelle Förderung für Spitzenschüler.
Die Fragen stellte Susanne Kailitz.