Neben der Medikamentenentwicklung ist die Medizintechnik die zweite große Säule des medizinischen Fortschritts. Kaum eine andere Branche ist von einer so großen Export- und Innovationsdynamik geprägt: Weltweit wächst der Markt für Medizintechnik um jährlich sieben bis zehn Prozent. Deutschland steht dabei mit einem Umsatz von rund 17 Milliarden Euro jährlich neben den USA und Japan an der Spitze. Hierzulande arbeiten rund 150.000 Menschen in der Medizintechnik, meist in kleineren und mittleren Unternehmen. Mit einem Umsatz von rund 9 Milliarden Euro jährlich ist das deutsche Unternehmen Siemens einer der großen Konzerne. Mit Forschungs- und Entwicklungszeiträumen von 5 bis 10 Jahren liegt die Medizintechnik etwas unter denen in der Medikamentenentwicklung.
Die Medizintechnik wirkt nach zwei Seiten: Sie hat Einfluss sowohl auf das Gesundheitssystem als auch auf die industrielle Entwicklung. Weltweit gilt sie als Zukunftsbranche mit zwei großen Zielen. Zum einen soll sie dabei helfen, neue Technologien zu entwickeln, zum anderen erhofft man sich von ihr bessere Diagnose- und Therapiemethoden. Langfristig sollen so die Kosten im Gesundheitssystem gesenkt und die Effizienz gesteigert werden. Derzeit gibt es drei Trends in der Medizintechnik: Miniaturisierung (etwa in Form von Nanotechnologien und Mikrosystemtechnik), Computerisierung (Einstatz von IT-Technik etwa bei der Bildverarbeitung) und Molekularisierung (Weiterentwicklung von Zell- und Gewebetechniken für die regenerative Medizin).
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat im vergangenen Jahr erstmals einen "Aktionsplan Medizintechnik" vorgelegt. Er soll die Förderaktivitäten des Bundes und verschiedene BMBF-Projekte bündeln. Dabei konzentriert sich das Ministerium vor allem auf drei Themenbereiche: Medizintechnik in Rehabilitation und Pflege/Intelligente Implantate, Molekulare Bildgebung in der Medizin und Medizintechnik für die regenerative Medizin. Ziel ist es, die "Forschungs- und Wettbewerbssituation Deutschlands weiter zu verbessern", konkrete Fördermaßnahmen zu entwickeln und die Kommunikation zwischen Politik, Wissenschaft und Industrie zu verbessern. Zusätzlich verleiht das BMBF jährlich Preise für innovative Medizintechnik, die mit mehr als 10 Millionen Euro gefördert werden.
Medizinprodukte wie Herzschrittmacher, Infusionspumpen, Dialysemaschinen, Sehhilfen, Prothesen oder Zahnimplantate haben längst Eingang in den Alltag gefunden. Mit zum Teil erstaunlichen Ergebnissen: Wurden etwa Prothesen lange Zeit als Behinderungen wahrgenommen, ist ihre Qualität mittlerweile so hoch, dass sie etwa im Sport als unerlaubte Hilfsmittel angesehen werden, weil sie ihre Träger unter Umständen leistungsfähiger machen als nichtbehinderte Sportler. Auch bildgebende Verfahren wie Sonografie und Computertomographie sind mittlerweile aus der Diagnostik nicht mehr wegzudenken. Eine Neuerung der jüngeren Zeit ist das so genannte "Tissue Engineering". Dabei werden künstliche Organe für Patienten erzeugt, die auf eine Organtransplantation angewiesen sind. Bei einfachen Geweben wie Haut, Knorpel und Knochen ist dies bereits gelungen, erste klinische Anwendungen von so gewonnenen Herzklappen finden bereits statt.
Woran die Unternehmen und Forschungseinrichtungen gerade arbeiten, ist zumeist geheim. Dennoch gibt es immer wieder Erfolgsmeldungen von Durchbrüchen, die mittelfristig in die Praxis umgesetzt werden sollen. So ist es Siemens gerade gelungen, ein Diagnosegerät zu entwickeln, dass die Fähigkeit leistungsstarker Computertomographen mit denen hochauflösender PET-Systeme (Positronen-Emissions-Tomographie) verbindet. Mit diesem "Biograph mCT" ist es möglich, innerhalb von fünf Minuten eine Ganzkörperuntersuchung vorzunehmen, die schärfere Bilder als bisherige Verfahren liefert und für die Patienten aufgrund geringerer Strahlenbelastung schonender ist. Medizintechniker an der Ruhr-Universität Bochum forschen derzeit, wie sich gasgefüllte Mikrobläschen als Kontrastmittel beim Ultraschall einsetzen lassen. Sie wollen die Bläschen künftig für den Transport von Medikamenten und zur Markierung von Tumoren im Gefäßsystem nutzen. Und im Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie arbeitet man gerade an der Entwicklung eines Lasers, der minimalinvasive Operationen am Gehirn ermöglichen soll.