KOSTEN
Die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung für Medikamente sind 2007 um 6,7 Prozent gestiegen. Jetzt sollen Höchstbeträge für bestimmte Präparaten die Entwicklung stoppen
Es war kein goldener Herbsttag für Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), als der neue Arzneiverordnungs-Report Ende September vorgestellt wurde. Denn demzufolge mussten die Kassen 2007 deutlich mehr Geld für Medikamente ausgeben als im Jahr davor, obwohl die Ärzte nicht mehr Pillen, Spritzen oder Tropfen verordnet hatten. Vielmehr haben die Kassen für patentgeschützte Arzneien deutlich mehr bezahlen müssen, weil die Pharmaindustrie die Preise für diese Präparate kräftig angehoben hat.
Dadurch stiegen die Arzneimittelausgaben innerhalb eines Jahres um 6,7 Prozent auf 27,8 Milliarden Euro. Die Ausgaben für Medikamente wären noch größer gewesen, wären nicht gleichzeitig Preise von Generika gesenkt worden, stellten die Herausgeber des Arzneiverordnungs-Reports, der Heidelberger Pharmakologe Ulrich Schwabe und der Gesundheitsökonom Dieter Paffrath, fest. Wurden 1993 rund 1,5 Milliarden Euro für patentgeschützte Arzneimittel ausgegeben, waren es 2007 schon 9,2 Milliarden Euro. Der Anteil an den Gesamtkosten für Arzneimittel stieg von 10,2 Prozent auf 37 Prozent.
Angesichts der wachsenden Ausgaben im Gesundheitsbereich sieht sich der Gesetzgeber ohnehin in der Situation, nicht nur den Nutzen von Medikamenten und Therapien zu ermitteln, sondern diesen auch in Relation zu ihren Kosten zu setzen. Er muss auf dieser Basis Instrumente entwickeln, mit denen die davon galoppierenden Ausgaben aufgehalten werden können. Eine neue Maßnahme hat die Bundesregierung gerade mit dem Zweitmeinungsverfahren für besonders teure Medikamente und Therapien auf den Weg gebracht: Diese Arzneien und Behandlungen dürfen Ärzte nur noch dann verordnen, wenn sie vorher die Meinung eines Fachkollegen eingeholt haben.
Mit den Nutzen-Kosten-Analysen haben das Bundesgesundheitsministerium und der Gemeinsame Bundesausschusses das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln beauftragt, das bereits seit 2004 den Nutzen von Medikamenten, Diagnose- und Therapieverfahren ermittelt. Das IQWiG hat bisher eine Methode für diese Analysen entwickelt und zur Diskussion gestellt. Schwabe und Paffrath ist das IQWiG-Verfahren zu langwierig, sie drängen den Gesetzgeber, möglichst rasch Höchstbeträge für patentgeschützte Medikamente einzuführen. In ihrem Report listen sie die Namen von patengeschützten Arzneimitteln auf, die in Deutschland besonders teuer sind: Zum Beispiel kosten bestimmte Rheumamedikamente hierzulande 66 Prozent mehr als in den USA. Nach Rabattverträgen und Festbeträgen für Arzneien wären Höchstbeträge für neue Medikamente also das nächste Instrument, mit dem die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen gedrosselt werden sollen. Für Schwabe und Paffrath wäre aber auch diese Maßnahme nicht ausreichend. Sie haben die Bundesregierung aufgefordert, darüber nachzudenken, ob die GKV - wie in anderen Ländern üblich - neue Medikamente erst nach ihrer Zulassung erstattet und nicht bereits nach der Markteinführung, wie es derzeit in Deutschland der Fall ist.
Ähnlich sieht es auch das IQWiG: Höchstbeträge für Medikamente seien zwar wirksame Instrumente, die Kostenexplosion zu stoppen, es gebe aber noch weit wirksamere, betonte der Leiter des IQWiG, Peter Sawicki: "Eine vierte Hürde würde uns ein bedeutendes Stück weiter bringen. In anderen Ländern wird zunächst einmal der Nutzen bewertet und dann über den - dem jeweiligen Nutzen - angemessenen Preis verhandelt." Sie würde sich vor allem auch positiv auf die Qualität der Versorgung auswirken. "Denn was nicht nachweislich besser ist, käme erst gar nicht breit zum Einsatz", betonte Sawicki.
Die Arbeit des IQWiG habe in diesem Punkt bereits Erfolge vorzuweisen: So seien die Preise, die die Kassen für Insulinanaloga, Medikamente gegen Diabetis, bezahlen müssen, gesenkt worden, nachdem das IQWiG festgestellt hat, dass die Insulinanaloga gegenüber Humaninsulin keinen Zusatznutzen aufweisen, sagte Sawicki. Wichtiger als praktische Dinge sei aber womöglich auch, "dass durch unsere Arbeit in Deutschland mehr darüber diskutiert wird, welche Art von Medizin wir wollen und brauchen."
Eine offene Rationierung von Arzneimitteln sieht Sawicki jedenfalls nicht auf die Patienten zukommen: "Insbesondere bei den Arzneimitteln gibt es großes Einsparpotenzial, wenn wir Unnützes nicht länger bezahlen", betonte er. "Dann bleibt auch genug Geld für das Nützliche."
Die Autorin ist Medizinjournalistin in Hamburg.