MEDIKAMENTENSTUDIEN
Für kleine Patienten sind sie notwendig und riskant zugleich
Wenn Kinderärzte ihren Patienten ein Medikament verschreiben, stehen sie oft vor einem Problem: Viele Medikamente wurden zwar an Erwachsenen getestet, aber nicht an Kindern. Und es genügt nicht, einem Kind beispielsweise die halbe Dosis zu geben, weil es nur halb soviel wie der getestete Erwachsene wiegt: Das Heilmittel sollte genau auf den Entwicklungsstand des Heranwachsenden abgestimmt werden. Denn während der Wasseranteil im Körper eines Neugeborenen sehr hoch ist und im Laufe des Lebens abnimmt, nimmt der Fettanteil zu - das hat Auswirkungen auf die Aufnahme wasser- oder fettlöslicher Medikamente.
Einerseits ist es also notwendig, Medikamente auch in Studien mit Kindern zu erproben - andererseits wirft diese Forschung auch besondere rechtliche und ethische Fragen auf. In Deutschland wirken die Erfahrungen des Dritten Reiches nach, als Menschen - auch Kinder - als medizinische Forschungsobjekte missbraucht wurden.
Kinder können außerdem in vielen Fällen nicht einschätzen, welche Konsequenzen die Teilnahme an einer medizinischen Studie für sie haben kann. Bei kleinen Kindern entscheiden deswegen die Eltern. Ist ein älteres Kind in der Lage, "Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung zu erkennen", wie es im deutschen Arzneimittelgesetz heißt, muss es auch selber zustimmen.
Für Studien mit Kindern gelten dabei besondere Einschränkungen: Das Gesetz schreibt vor, dass die Studie "mit möglichst wenig Belastungen und anderen vorhersehbaren Risiken" für die teilnehmenden Kinder verbunden sein muss. Ob das wirklich so ist, beurteilt eine Ethikkommission, die statt einer belastenden Blutentnahme beispielsweise eine Urinprobe vorschlagen kann - wenn es medizinisch möglich ist.
Außerdem dürfen an Kindern nur Medikamente getestet werden, die entweder dem teilnehmenden Kind selbst oder "Leidensgenossen" mit der gleichen Krankheit nützen könnten, erläutert Rolf Hömke vom Verband forschender Arzneimittelhersteller. Ein gesundes Kind darf also - im Gegensatz zu einem gesunden Erwachsenen - prinzipiell nicht an einer medizinischen Studie teilnehmen. Anfang 2007 trat eine neue europäische Verordnung in Kraft. Sie bestimmt, dass die meisten neuen Medikamente für den europäischen Markt auch in eigenen Studien an Kindern getestet werden müssen. Es besteht die Hoffnung, dass dadurch die "Lücken in der Kinderapotheke" aufgefüllt werden.