AUSLAND
Zahlen über ausgewanderte Mediziner gibt es nicht
"In Deutschland hatte ich keine Perspektive." Wiebke Arlt, 42 Jahre alt, ursprünglich Medizinerin an der Universität Würzburg, beschloss im Jahr 2004, dauerhaft an der britischen University of Birmingham zu bleiben. Hier hatte sie die Chance, die ihr in Würzburg keiner bieten konnte: Sie erhielt nicht nur mehr Zeit für ihre Forschungsprojekte, etwa zu den Störungen der Nebenniere, sondern konnte den Status einer Professorin erlangen. Und das, obwohl es schon eine Reihe anderer Professoren an demselben Lehrstuhl gab. "In Deutschland gibt es nur einen Professor pro Lehrstuhl, da hätte ich warten müssen, bis mein Chef ausscheidet", sagt Arlt.
Es gibt keine gesicherten Zahlen darüber, wie viele Mediziner tatsächlich jedes Jahr an eine ausländische Universität wechseln, um dort zu forschen. "Die Menschen melden sich ja nicht als ausgewanderte Medizinforscher ab", so Viola Klamroth, Pressesprecherin des Bundesforschungsministeriums. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) veröffentlicht gemeinsam mit dem Hochschul-Informations-System (HIS) zumindest Zahlen über Professoren, Doktoranden und Post-Doktoranden, die für eine begrenzte Zeit über eines der Förderprogramme ins Ausland gehen. Demnach weilten im Jahr 2006 insgesamt 4.928 Wissenschaftler im Ausland. Davon waren 139 Humanmediziner oder Gesundheitswissenschaftler. Eine geringe Zahl, wenn man sie mit der größten Gruppe, der Mathematiker und Naturwissenschaftler vergleicht. Von dieser waren 1.654 in fremden Ländern. Prozentual betrug der Anteil der Humanmediziner und Gesundheitswissenschaftler 2,8 Prozent.
Athanasios Drougias, Pressesprecher des Marburger Bundes, der Vertretung der angestellten und verbeamteten Ärzte in Deutschland, kann sich jedoch gut vorstellen, warum es so manchen medizinischen Forscher dauerhaft ins Ausland ziehen könnte. Bei den Tarifverhandlungen dieses Jahres habe sich die Arbeitgeberseite geweigert, Forscher in die Verhandlungen mit aufzunehmen. Die Konsequenz sei, dass Forscher "bis zu 1.000 Euro weniger im Monat" verdienten, als ihre Kollegen, die sich ausschließlich der Praxis widmen.
Wiebke Arlt, die zunächst auch für wenige Jahre mit dem Heisenberg-Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft nach England gehen wollte, nennt weitere Gründe, die ihr den Wechsel nach England erleichtert haben. "Ich erhielt 1,5 Millionen Euro für den Aufbau einer eigenen Forschungsgruppe und ich habe mehr Zeit für die Wissenschaft. Die Hälfte meiner Arbeitszeit bin ich freigestellt, in Deutschland hätte ich nur nach Feierabend lernen können."