VON SANDRA KETTERER
Am Ende blieb eine große Leere. Der Platz auf dem Sofa, auf dem er nicht mehr lag. Die ruhige Stimme, die nicht mehr sprach. Zehn Jahre, nachdem er wegen eines krankhaft vergrößerten Herzens operiert wurde, bekam er eine Art Schrittmacher eingesetzt. Seine Familie feierte den medizinischen Fortschritt. Doch kurze Zeit später erhielt er eine andere Diagnose: Ein Tumor hatte sich gebildet, in der Speiseröhre, am Übergang zum Magen. Rund sechs Monate später starb er. Die Chemotherapie kam zu spät. Hier konnte Medizin nicht mehr helfen.
Jeder kennt sie aus eigener Erfahrung: Medizinische Geschichten aus dem Familien- und Freundeskreis, in denen Leben und Tod, Glück und Verzweiflung ganz dicht beeinander liegen. Die Medizinische Forschung ist für Patienten wie für deren Angehörige ein großer Hoffnungsträger und erleichtert vielen Menschen das Leben. Doch nicht immer können die Versprechungen und Vorhersagen von Wissenschaftlern und Forschern auch wirklich eingelöst werden.
Für die medizinische Forschung spielt die Politik eine ganz entscheidende Rolle. Sowohl in der Bildungs- und Forschungs-, als auch in der Gesundheitspolitik muss sie frühzeitige Trends erkennen und wichtige Weichen stellen. Ein konkretes Beispiel dafür ist die so genannte individualisierte Medizin. Darunter wird, vereinfacht ausgedrückt, eine ärztliche Behandlung verstanden, die unterschiedliche genetische, körperliche und seelische Voraussetzungen des Patienten berücksichtigt. Ein Trend, der in den kommenden 20 Jahren die Gesundheitsversorgung prägen wird. Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Bundestag wird daher über künftige Entwicklungen in diesem Bereich bis Ende November einen ausführlichen Bericht vorlegen.
Mit unserem Themenschwerpunkt möchten wir Ihnen schon heute einen Überblick über den Stand der Medizinischen Forschung in Deutschland geben. Neben der Frage, wie man Fortschritt überhaupt definiert, geht es um neue Zweige wie Biomedizin und Naturheilkunde. Zudem stellt die Ausgabe neue Behandlungsmethoden im Bereich der Schmerztherapie oder bei der Bekämpfung von Aids vor.
Daneben beschäftigt sich das Schwerpunktthema dieser Ausgabe auch mit der Frage, inwieweit Frauen und Männer überhaupt dieselbe Medizin brauchen und welche Rolle die Pharmaindustrie bei der Erforschung neuer Medikamente wirklich spielt.
Medizin bedeutet aber nicht allein Fortschritt. Sie wirft - neben ihrer wirtschaftlichen Bedeutung - auch eine Vielzahl von ethischen Fragen auf. Die immer größeren Erkenntnisse über das menschliche Erbgut sind ein Beispiel dafür, dass medizinischer Fortschritt nicht nur Hoffnung, sondern auch große Ängste wecken kann. Forschung und Entwicklung müssen kritisch begleitet werden. Denn Medizin wurde erfunden, um dem Menschen zu helfen. Und nicht umgekehrt.