Bundeswehr
Politik und Gesellschaft tun sich schwer mit dem Gedenken an die gefallenen Soldaten
Es ist ein nüchternes Fazit, das der Politolge Herfried Münkler zieht: die deutsche Gesellschaft könne mit den in Auslandseinsätzen der Bundeswehr getöteten Soldaten lediglich "umgehen, indem sie diese vergisst und verdrängt". Das erinnernde Gedenken an diese Soldaten aber stehe "quer zu ihrem Selbstverständnis". Münkler ist einer von 13 Autoren, die an dem Sammelband "Bedingt erinnerungsbereit. Soldatengedenken in der der Bundesrepublik" mitgewirkt haben. Der Band widmet sich einer Frage, mit der sich Deutschland seit Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die 1990er Jahre nicht auseinandersetzen musste. Wie gedenkt eine Gesellschaft seiner Soldaten, die im Einsatz sterben oder getötet werden? Seit Gründung der Bundeswehr 1955 sind zwar mehr als 2.900 Soldaten und Zivilangestellte der Streitkräfte ums Leben gekommen. Diskutiert wird die Frage jedoch erst seitdem deutsche Soldaten in Auslandseinsätzen durch Anschläge und in Kampfhandlungen getötet wurden. Konkrete wurde die Diskussion im Zusammenhang mit dem Bundeswehr-Ehrenmal, das im Frühjahr 2009 eingeweiht werden soll.
Die Autoren des Sammelbandes nähern sich der Frage, je nach ihrer Profession, aus unterschiedlichen Richtungen - politologisch, historisch, theologisch, städtebaulich und pychologisch. Verbindliche Antworten können sie indes nicht liefern. Aber der Band vermittelt einen guten Eindruck über die Spannweite des Themas.
Früher war es "einfach": Soldaten fielen im Krieg für Gott, Kaiser und Vaterland, später dann für den "Führer". "Süß und ehrenvoll" soll dies gewesen sein. Das meinten nicht nur die alten Römer. Doch die Zeiten der Helden- und Kriegerverehrung gehören - zumindest in Deutschland - weitestgehend der Geschichte an. Der Historiker Manfred Hettling beschreibt die spezifische deutsche Problematik treffend, wenn er konstatiert, dass die "politische Distanzierung von der nationalistischen und nationalsozialistischen Vergangenheit" dazu geführt habe, "dass militärisches Handeln in der Bundesrepublik grundsätzlich unter moralischen Vorbehalt gestellt wird". Als "postheroische Gesellschaft" bezeichnet Münkler dieses Phänomen. So vermeiden die politisch Verantwortlichen auch fein säuberlich den Begriff "Krieg" - selbst wenn die Bundeswehr in Kriegsregionen zum Einsatz kommt. Statt dessen werden Vokabeln wie "Kampfeinsatz" oder "robustes Mandat" bemüht.
Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hätte es gerne einfach: "Staat und Gesellschaft", so betonte er bei der Grundsteinlegung für das Bundeswehr-Ehrenmal am 26. November 2008, "haben eine Verpflichtung, alle, die in Ausübung ihres Dienstes für die Bundeswehr ihr Leben verloren haben, zu ehren." Dies trifft vor allem dann zu, wenn man der Einschätzung seines Amtsvorgänger Peter Struck (SPD) folgt, dass Deutschlands Freiheit auch am Hindukusch verteidigt wird. Doch genau hier liegt nach Münkler das Problem: "Wenn deutsche Soldaten in Bosnien, im Kosovo oder in Afghanistan den Tod finden, dann nicht, weil sie mit ihrem Einsatz eine direkte Bedrohung der deutschen Bevölkerung abgewehrt hätten, sondern sie sterben zu allererst für das Interesse der an einem friedlichen Leben interessierten Bevölkerung" in den Einsatzländern. Dies führe letztlich entweder zu "gedankenloser Gleichgültigkeit" in der deutschen Bevölkerung oder zu der kritischen Einschätzung, dass hinter den Einsätzen doch eher "egoistische Motive" - sprich: macht- und wirtschaftspolitische Interessen - stecken müssten, weswegen sie abzulehnen seien.
Münkler weist in seinem Beitrag zu Recht darauf hin, dass im Falle der in Auslandseinsätzen getöteten Soldaten die gesamte Last bei denen liegt, die die Soldaten in die Einsätze geschickt haben, sprich: beim Deutschen Bundestag. "Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee", betonen Abgeordnete immer wieder. So hatten sich denn beispielsweise der Wehrbeauftrage des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), und die FDP-Fraktion wiederholt für ein Ehrenmal in unmittelbarer Nähe oder sogar im Reichs- tagsgebäude ausgesprochen. Statt dessen wird es aber im Bendlerblock, dem Berliner Amtssitz des Verteidigungsministeriums errichtet. Dieser Kontroverse hätten die Autoren des Bandes durchaus einen größeren Raum einräumen dürfen. Die Kunstpublizistin Stefanie Endlich bemängelt aber immerhin, dass eine angemessene und transparente öffentliche Debatte um Widmung, Aufgabe, Standort und Gestaltung des Ehrenmals nie geführt worden sei. Das Ehrenmal sei "wie ein Fremdkörper" in die Berliner Erinnerungslandschaft "implantiert" worden. Der Stadtplaner Günter Schlusche hält dagegen, dass der Standort "ein adäquater Ausdruck des Status" sei, den die Bundeswehr in der deutschen Gesellschaft habe. So formuliert mag dies sogar stimmen. Denn die Streitkräfte sind, so schreibt Thomas Bulmahn vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr, "immer weniger im persönlichen Lebensumfeld der Bürger präsent".
Bedingt erinnerungsbereit.
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008; 176 S., 17,90 ¤