TRANSFORMATION
Die Streitkräfte des Bündnisses rüsten sich für neue Aufgaben
Seit dem Ende der 1990er Jahre befindet sich die Nato in einem regen Prozess der Umstrukturierung und ringt um eine konzeptionelle Neuaufstellung. Diese Veränderungen werden sowohl vom Bündnis als Ganzes als auch von den einzelnen Mitgliedstaaten betrieben. Zusammengefasst werden sie unter dem schillernden Begriff der "Transformation". Das heißt, dass es einen beständigen Anpassungsprozess an immer neue Herausforderungen gibt, der, im Unterschied zu einer bloßen "Reform", kein abschließendes Endziel ansteuert.
Hatte das auf dem Gipfel im Jahr 1991 beschlossene strategische Konzept der Nato noch von der Aufbruchstimmung nach der Überwindung des Ost-West-Gegensatzes gezehrt, war acht Jahre später auf dem Jubiläumsgipfel in Washington längst Ernüchterung eingekehrt. Im Schatten des Kosovo-Krieges formuliert, wurden in der dort präsentierten Strategie eine Vielzahl neuer Sicherheitsrisiken benannt, auf die das Bündnis nun eine Antwort zu finden hätte.
Insbesondere ethnische Konflikte, wie man sie seit dem Zerfall Jugoslawiens vor der eigenen Haustür erlebt hatte, der Zusammenbruchs politischer Ordnungen sowie die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen waren Bedrohungen für Frieden und Stabilität auch in der euro-atlantischen Hemisphäre geworden, auf die die Nato bislang nicht ausgerichtet gewesen war. Daraus ergaben sich neue und umfassendere Anforderungen an die Strukturen und Fähigkeiten des Bündnisses und der Streitkräfte seiner Mitgliedstaaten. Die Nato entwickelte sich weg vom klassischen Verteidigungsbündnis, das sich auf eine bestimmte Weltregion beschränkt, hin zu einem global interventionsfähigen Akteur.
Damit einher ging eine drastische Verschlankung und Neuorganisation der Kommandostrukturen. Heute kennt die Nato zwei "strategische Hauptquartiere": Das in Mons (Belgien) ansässige "Allied Command Operations" (ACO) ist für die Planung und Führung militärischer Einsätze zuständig, während das "Allied Command Transformation" (ACT) mit Sitz in Norfolk (USA) für die Modernisierung der Nato-Streitkräfte verantwortlich zeichnet.
Eine Steigerung der militärischen Fähigkeiten setzte der Prager Gipfel im Jahr 2002 auf die Tagesordnung. Die Mitgliedsstaaten beschlossen, insbesondere in den Bereichen Information, Aufklärung, Überwachung, Kommunikation und Führung, strategisches Transportwesen sowie Präzisionsabstandswaffen Verbesserungen anzustreben. Und sie vereinbarten den Aufbau kleiner hochbeweglicher Truppenverbände ("Nato Response Force") für Krisenfälle.
Als Vorbild bei der militärischen Transformation dienten die US-Streitkräfte, die insbesondere unter Verteidigungsminister Donald Rumsfeld einen einschneidenden Umbruch erlebten. Die klassischen Großverbände wurden nunmehr als zu behäbig angesehen. Stattdessen setzte man auf kleinere Verbände, die - mit leichterem Gerät ausgerüstet - besser beweglich wären. In dieser Hinsicht wie auch in zahlreichen anderen konzeptionellen und technischen Bereichen setzen die USA die Maßstäbe, an denen sich die anderen Nato-Partner orientieren, um besser zusammenwirken zu können.
Thomas Bauer ist Mitarbeiter am Centrum
für angewandte Politikforschung München