GEMEINSAME VERTEIDIGUNG
Adenauer legte großen Wert auf einen militärischen Beitrag Westdeutschlands
Als am 4. April 1949 der Washingtoner Vertrag unterschrieben wurde, war die Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegründet, und es erschien nur wenigen vorstellbar, dass es jemals einen deutschen Verteidigungsbeitrag zur Sicherheit des Westens geben würde. Gerade die Vor- und Frühgeschichte des deutschen Beitritts zur Nato zeigt, dass diese Einbindung durchaus in doppelter Hinsicht zu verstehen war: Aus Sicht der späteren Bündnispartner kam es darauf an, ebenso sicher vor den Deutschen zu sein wie mit ihnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg unterlagen die vier deutschen Besatzungszonen den Demilitarisierungsbestimmungen des Potsdamer Abkommens vom August 1945. Dennoch erfolgten bereits um 1947/48 erste Überlegungen zu einer westdeutschen "Wiederbewaffnung".
1949 hätte das neu entstandene Bündnis einer etwaigen sowjetischen Aggression zwar recht viele Planungsgremien entgegensetzen können, aber kaum vorzeigbare Verbände. Der Schock, den der im Juni 1950 ausgebrochene Korea-Krieg auslöste, ließ die Forderung nach einem westdeutschen Verteidigungsbeitrag aufkommen, worauf Bundeskanzler Adenauer eine geheime Zusammenkunft von Verteidigungsexperten veranlasste, die im Oktober 1950 im Eifelkloster Himmerod stattfand. In der hieraus resultierenden Denkschrift wurde der Rahmen künftiger westdeutscher Streitkräfte abgesteckt. Adenauer selbst verfolgte gegen erheblichen innenpolitischen Widerstand zielstrebig die Politik, einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag als Gegenleistung für Souveränitätsrechte anzubieten.
Noch im Jahr 1950 ergriff Frankreich die Initiative: Der "Pleven-Plan" sah die Schaffung gemeinsamer europäischer Streitkräfte vor, in die die Deutschen ihre Truppen als einzige vollständig einbringen sollten. Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft hätte zwar mit der Nato kooperiert, aber von ihr unabhängige Strukturen geschaffen. In diesen sollte die militärische Integration der nationalen Teilkontingente auf der kleinstmöglichen Ebene erfolgen. Der "Pleven-Plan" scheiterte im August 1954 in der Pariser Nationalversammlung.
Die nun rasch einsetzenden Verhandlungen zielten darauf, das deutsche Potenzial direkt für die Nato zu gewinnen. Die am 3. Oktober 1954 von der in der britischen Hauptstadt tagenden "Neunmächtekonferenz" beschlossene "Londoner Akte" ebnete der Bundesrepublik den Weg in die Nato. Auf ihrer Grundlage wurden bereits drei Wochen später die Pariser Verträge unterzeichnet, die den Beitritt der Bundesrepublik sowohl zur Westeuropäischen Union (WEU) als auch zur Nato unter Aufhebung des Besatzungsstatuts regelten. Dabei verzichtete Bonn freiwillig auf eine atomare, biologische und chemische Bewaffnung.
Mit dem Deutschlandvertrag schließlich erhielt die Bundesrepublik - bis auf wenige alliierte Vorbehaltsrechte - die faktische Souveränität. Damit war bis zur Wiedervereinigung 35 Jahre später der Rahmen abgesteckt, der ihre Rolle im Bündnis umriss: Souveränität gegen Bündnisbeitritt. Die Strategie Adenauers war aufgegangen. Am 5. Mai 1955 traten die Pariser Verträge in Kraft; der offizielle Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur Nato erfolgte am 9. Mai 1955.
Martin Rink ist Historiker und freier
Mitarbeiter des Militärgeschichtlichen
Forschungsamtes in Potsdam.