MEXIKO
Das Parlament debattiert die Wiedereinführung der Todesstrafe
Die gerade eröffnete Sitzungsperiode des mexikanischen Parlaments enthält Zündstoff: Vorgesehen sind Expertenanhörungen zur Wiedereinführung der Todesstrafe. Ihre Befürworter sind in beiden Kammern des Kongresses zwar noch in der Minderheit. Doch Mexiko wählt im Juli einen Teil seiner Kommunalregierungen und Bundesabgeordneten neu. Und im Wahlkampf sind Forderungen nach harten Strafen gegen die epidemische Alltagsgewalt populär.
Lauteste Befürworterin der Todesstrafe ist die Grüne Partei Mexikos, die sich als ordnungspolitische Hardlinerin profiliert. Unterstützt wird sie von den nördlichen Bundesstaaten, wo die Traditionspartei PRI regiert und der Krieg der Drogenkartelle besonders erbittert tobt. 5.600 Menschen kamen 2008 in Mexiko im Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen um. Das sind fast drei Mal so viele wie im Vorjahr.
Entschiedener Gegner der Todesstrafe ist die Linkspartei PRD. Sie weigert sich, überhaupt an der Debatte teilzunehmen. Carlos Navarrete, PRD-Fraktionsführer im Senat, warf den Unterstützern vor, lediglich auf Wählerstimmen zu schielen. Ähnlich äußerte sich die kleinere, sozialdemokratische Partei PSD. Sie bezeichnete in einer Medienmitteilung die Todesstrafe als "rückwärtsgewandte Maßnahme".
In Mexiko sind seit 1961 keine Hinrichtungen mehr durchgeführt worden. 2005 verbot das Land die Todesstrafe per Verfassung.
Zwischen Befürwortern und Gegnern laviert die konservative PAN des Präsidenten Felipe Calderón. Er wies die Todesstrafe zwar unter Hinweis auf internationale Verpflichtungen Mexikos zurück. Doch er steht unter Druck, Erfolge in der Verbrechensbekämpfung vorzuweisen. Die Meinung des Volkes ist eindeutig: 75 Prozent der Mexikaner stimmen laut jüngsten Umfragen der Todesstrafe für besonders schwere Verbrechen zu.
Besonders beunruhigen sie die sprunghaft gestiegenen Entführungen zur Lösegelderpressung. Inoffizielle Statistiken gehen von durchschnittlich zehn Kidnappings am Tag aus, die oftmals tödlich für die Entführten enden. Nur ein Prozent der schweren Verbrechen werden in Mexiko gerichtlich aufgeklärt und geahndet.
Politisches Gewicht hat in Mexiko die katholische Kirche. Sie sprach sich deutlich gegen die Todesstrafe aus. Bischof Raúl Vera, eloquentester Menschenrechtsvorkämpfer unter Mexikos Katholiken, warnte vor einem "moralischen Kollaps des Staates" und rief dazu auf, die "korrupte Justiz" zu reformieren. An die Todesstrafenbefürworter gerichtet schrieb er in einer Pressemitteilung: "Die Effektivität einer Strafe besteht in der Gewissheit, dass sie angewendet wird, und nicht in ihrer Härte."