StrafProzessrecht
Absprachen über Geständnis und Strafe sollen gesetzlich geregelt und so vor allem transparenter werden
Detlef Deal klingt ein bisschen nach Gundel Gaukeley. Doch Strafrechtler und Donaldisten wissen: Detlef Deal ist kein bislang unbekannter Gegenspieler von Dagobert Duck, sondern ein Strafverteidiger. Vor mehr als 25 Jahren thematisierte der Jurist Hans-Joachim Weider unter einem Pseudonym den "strafprozessualen Vergleich" - ein viel zitierter Aufsatz, auf den nun auch in der Begründung eines Gesetzentwurfs verwiesen wird. Diesen Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren ( 16/11736) haben die Abgeordneten am 29. Januar in erster Lesung beraten, zusammen mit einer Vorlage des Bundesrates ( 16/4197).
Absprachen im Strafverfahren sind seit Jahren gängige Praxis. Dabei wird das Urteil zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung abgesprochen; gegen ein Geständnis des Angeklagten sichert der Richter zwar keine konkrete Strafe, wohl aber eine Strafobergrenze zu. Davon zu unterscheiden ist die Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen nach § 153a Strafprozessordnung. Dort soll das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung durch eine Gegenleistung kompensiert werden. Absprachen zielen dagegen auf eine mildere Strafe gegen Geständnis ab. Gesetzlich geregelt sind solche Absprachen bislang nicht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sie mehrfach für zulässig erklärt, allerdings restriktive Vorgaben für ihre Anwendung gemacht, die sich auch im Koalitionsentwurf wiederfinden.
Während die einen Absprachen als Prozessökonomie loben, befürchten andere die Preisgabe elementarer strafprozessualer Prinzipien. So kritisierte der Präsident des BGH, Klaus Tolksdorf, erst am vergangenen Freitag viele Urteile nach Absprachen als nicht mehr schuldangemessen. Tolksdorf schätzt, dass in etwa zwei Dritteln aller Strafprozesse die Urteile abgesprochen seien; Statistiken darüber gibt es nicht. Und auch Winfried Hassemer ist skeptisch: "Der Sinn der Absprachen besteht darin, die lästigen Kategorien des traditionellen Strafrechts aus dem Strafverfahren herauszuhalten, sobald sie stören", schrieb er aus Anlass des Strafverteidigertages 2006; eine Kritik, die der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts jüngst in der "Süddeutschen Zeitung" erneuert hat.
Uneingeschränkte Zustimmung erhielten Hassemer und Tolksdorf in der Debatte im Bundestag nur von Wolfgang Nescovic (Die Linke). "Das Strafgesetzbuch ist kein Handelsgesetzbuch", sagte er. "Der Deal muss nicht gesetzlich erlaubt, sondern gesetzlich verboten werden."
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) verteidigte hingegen den Vorstoß der Koalitionsfraktionen mit klaren Worten: "Wir schaffen mehr Transparenz."Es gebe mit dem Gesetz mehr Rechtstaatlichkeit für einen Vorgang, der tägliche Praxis sei. Ausdrücklich verwahrte sich Zypries gegen das "weitverbreitete Vorurteil", Absprachen gebe es nur für Reiche und Mächtige. Absprachen, so die Justizministerin, seien in jedem Landgericht üblich, etwa bei Drogen- oder Alltagskriminalität. Vor allem bei Sexualdelikten spielten Verständigungen für den Opferschutz eine wichtige Rolle. Durch ein Geständnis könnten Opfern schmerzhafte Aufwühlungen vor Gericht erspart bleiben, sagte auch Jörg van Essen (FDP). Er stehe dem Entwurf grundsätzlich positiv gegenüber. Allerdings müsse man aufpassen, dass das Gesetz nicht zu dem Druck für Richter, Staatsanwälte und Angeklagte führe, Deals abzuschließen, anstatt zu verhandeln.
Vom Prinzip der Wahrheitsfindung dürfe nicht abgerückt werden, betonte Jürgen Gehb (CDU/CSU). Aber Effektivität und Rechtsschutz seien auch eine Frage der Zeit. Gehb begrüßte deshalb den Entwurf und warnte davor, die "hochgepeitschte emotionale Stimmung" noch mehr zu befeuern. Schon deshalb sei es wichtig, Begriffe wie "Absprache", "Vereinbarung" oder "Deal" zu vermeiden, sagte Gehb. Damit ist er auf Linie des Gesetzentwurfs, die Kernvorschrift, ein neuer Paragraf 257c der Strafprozessordnung, spricht von "Verständigung".
Jerzy Montag (Bündnis 90/Die Grünen) übte grundsätzliche Kritik am Zustand des Strafprozesses und warnte vor einer Aushöhlung elementarer Prinzipien wie Strafe nach dem Maß der Schuld und Öffentlichkeit des Verfahrens. Und er setzte "Kritik an den Kritikern" an: Missstände seien vorhanden, eine gesetzliche Regelung bewahre die aufgezeigten Grundsätze allerdings vor weiterer Erosion. "Ich bin kein Freund dieser gesetzlichen Regelung", sagte hingegen Peter Danckert (SPD). Er sehe dafür keine Notwendigkeit, lobte aber den Weg zum Entwurf als "beispielhaft".
Das Gesetz angemahnt hat der Große Strafsenat des BGH im März 2005 in einer Grundsatzentscheidung zum Rechtsmittelverzicht bei Absprachen: Es sei "primär Aufgabe des Gesetzgebers" Regeln für Urteilsabsprachen festzulegen.