Untersuchungsausschuss
Am 29. und 30. Januar hat sich das Gremium mit der Bespitzelung von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst befasst - und stochert weiter im Nebel des Geheimen
Stoff für einen Agentenkrimi. BND-Leute mieten incognito eine Dachgeschosswohnung, um von dort aus mit High-Tech-Kameras einen Journalisten, der wegen kritischer Bücher über den Geheimdienst Ärger macht, samt seinen Büromitarbeitern auszuspähen. Sogar das Altpapier des Publizisten wird ausgewertet, um sein Kontaktnetz zu entschlüsseln. Die Sekretärin des Ausgeforschten steht nach dessen Einschätzung in Pullach im Ruf, eine Art "lebender Briefkasten" zu sein, dem im Supermarkt angeblich von BND-internen Zuträgern Infos aus dem Pullacher Innenleben zugesteckt werden. Diese Lecks will der Bundesnachrichtendienst unbedingt ausfindig machen.
Das Zielobjekt der 1993 gestarteten und mit Unterbrechungen bis 2003 währenden Bespitzelungsaktion, die nach Aussage des vom Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) berufenen Sachverständigen Gerhard Schäfer bis "in den persönlichen Bereich" geht, heißt Erich Schmidt-Eenboom und unterhält in Weilheim ein Forschungsinstitut, das den BND unter die Lupe nimmt. Auslöser der surrealistisch anmutenden Maßnahme war ein Buch des Publizisten, in dem auch Klarnamen mehrerer Geheimdienstler genannt werden.
Wie Schäfer vor dem Untersuchungsausschuss am 30. Januar erläutert, ist Schmidt-Eenboom das gravierendste Beispiel für Ausforschungsaktivitäten des BND, die sich bis 2005 gegen eine Reihe von Medienschaffenden richteten.
Im Ausschuss herrscht zwischen allen Fraktionen Einigkeit, dass das Vorgehen des BND beim Versuch, undichte Stellen in den eigenen Reihen zu entdecken, schlicht rechtswidrig war. Auch Gutachter Schäfer, der seinen PKGr-Bericht bereits im Mai 2006 vorgelegt hatte, betont als Zeuge: "Diese Observationen waren rechtswidrig." Max Stadler (FDP) ist überzeugt, dass der BND derartige "Dinge heute nicht mehr praktiziert". Der ehemalige BND-Präsident und heutige Innen-Staatssekretär August Hanning sowie dessen Nachfolger Ernst Uhrlau haben sich für die Sitzung in der vergangenen Woche entschuldigen lassen. Insofern birgt die Pullacher Journalisten-Affäre kaum Sprengstoff für den politischen Tagesstreit in sich.
Gleichwohl zofft man sich im Ausschuss, der sich aus Zeitgründen auf den besonders exemplarischen Fall Schmidt-Eenboom konzentriert: FDP, Linkspartei und Grüne wollen die von Union und SPD abgelehnte Befassung mit dem Fall einer Afghanistan-Korrespondentin durchsetzen. Deren E-Mail-Verkehr mit einem Kabuler Minister war in der zweiten Jahreshälfte 2006 mitgelesen worden - zu jener Zeit, als selbiger Minister vom BND ausgeforscht wurde. Die elektronische Post war nicht sofort gelöscht worden, obwohl die Regierung nach der Veröffentlichung des Schäfer-Berichts im Mai 2006 die Ausspähung von Medienschaffenden durch den Geheimdienst untersagt hatte. Union und SPD argumentieren, dieser Komplex falle unter die Auslandsaufklärung und damit nicht unter die Thematik des Untersuchungsausschusses.
Natürlich fragen die Abgeordneten nach der Verantwortung der oberen Ebene für die Bespitzelungsaktion. Was wussten zwischen 1993 und 2005 die BND-Chefs Konrad Porzner, Hansjörg Geiger und August Hanning? War Bernd Schmidbauer involviert, bis 1998 als Staatsminister im Kanzleramt zuständig für Geheimdienste? Klarheit haben die bisherigen Befragungen im Ausschuss nicht gebracht, was wohl auch nicht zu erwarten war.
Hans-Christian Ströbele (Grüne) kritisiert, dass Gutachter Schäfer in diesem Punkt "nicht kritisch nachgehakt hat". SPD-Obmann Michael Hartmann hegt den Verdacht, dass Schmidbauer an den Pullacher Präsidenten vorbei über den einstigen BND-Direktor Volker Foertsch versucht habe, "journalistische Quellen" für den Dienst zu erschließen. Immer mal wieder wird im Ausschuss die Vermutung geäußert, Pullach sei es nicht nur um das Aufspüren interner Lecks, sondern auch um die Ausforschung der Medienszene mit Hilfe von Journalisten gegangen.
Schmidbauer bestreitet bei seiner Befragung, von rechtswidrigen Aktivitäten gegen Medienvertreter gewusst zu haben. Entsprechende Vorwürfe seien "dummes Zeug" und "Märchenstunden". Es habe auch "keine Nebeninformationen" gegeben, spielt der CDU-Politiker auf Foertsch an. Bei der Suche nach undichten Stellen beim BND habe das Kanzleramt klare Weisung erteilt, wie mit Journalisten umzugehen sei. Allerdings habe er kaum Rückmeldungen über eingeleitete Maßnahmen erhalten. Indes will Schmidbauer nicht ausschließen, auch mal mit einzelnen Journalisten und mit Foertsch über dessen Hintergrundtreffen mit Medienleuten gesprochen zu haben.
Nun, Geheimdienste sind eine Grauzone. In dieser Sphäre waren im Übrigen einige der von Bespitzelungen betroffenen Journalisten nicht nur Opfer, sondern auch Teil des Spiels: Sie lieferten dem BND Informationen, zuweilen sogar über Kollegen. Schäfer meint, einiges sei "mit journalistischer Ethik nicht zu vereinbaren". Das treffe selbst auf Schmidt-Eenboom zu, auch wenn er "keine gravierenden Dinge ausgeplaudert" habe. Für Schäfer ist der Publizist eine "Vertrauensperson" des BND. Schmidt-Eenboom kontert: "Es gab keine Kumpanei." Nie habe er Quellen anderer Journalisten namentlich preisgegeben. Dass er in Pullach unter den Tarnnamen "März" und "Gladiator" geführt wurde, habe er erst Jahre später erfahren. Was stimmt? Man stochert im Nebel des Geheimen.