Die mögliche Behandlung Schwerstabhängiger mit künstlichem Heroin auf Kassenkosten stößt bei Experten auf ein gegensätzliches Echo. Dies wurde am 23. März bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses zu Gesetzentwürfen einer Abgeordnetengruppe von SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen ( 16/11515) und des Bundesrates ( 16/7249) sowie zu einem Antrag von Unions-Parlamentariern ( 16/12238) deutlich. Während die Gesetzentwürfe darauf abzielen, die Behandlung mit so genanntem Diamorphin in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu integrieren, wollen die Unions-Abgeordneten ein in mehreren Städten gestartetes und mittlerweile abgeschlossenes Modellprojekt zur Heroinabgabe fortführen.
Für eine Übernahme der Diamorphin-Behandlung in die GKV-Regelversorgung reiche der Kenntnisstand nicht aus, argumentieren sie. Den Gesetzentwürfen zufolge sprechen dagegen die Ergebnisse des Projekts dafür, einer "klar begrenzten Zielgruppe" die Diamorhin-Behandlung zu ermöglichen.
In der Anhörung betonte Christoph von Ascheraden für die Bundesärztekammer, die mit dem Modellprojekt verbundene Studie weise nach, dass die Diamorphin-Behandlung für eine bestimmte Patientengruppe alternativlos sei und helfe, Leben zu retten. Von einer reinen Fortsetzung des Modellprojekts seien dagegen keine neuen Beurteilungskriterien zu gewinnen, nach denen man die Gruppe der Teilnehmer an einer Diamorphin-Behandlung besser abgrenzen könne. Nach den Gesetzentwürfen soll die Behandlung nur bei Betroffenen in Betracht kommen, die mindestens 23 Jahre alt und mindestens 5 Jahre abhängig sind sowie bereits zwei erfolglose Therapien absolviert haben.
Kritik an diesen Kriterien kam unter anderem von Axel Meeßen vom GKV-Spitzenverband. Er bemängelte, dass ein Großteil der 120.000 bis 190.000 Heroinabhängigen diese Bedingungen erfüllen würde. Nach Schätzungen des GKV-Spitzenverbandes wäre dies bei etwa 70.000 Abhängigen der Fall. Damit würden sich die Kosten der Diamorphin-Therapie auf 0,7 bis 1 Milliarde Euro summieren, während nur ein Drittel davon bei einer Methadon-Behandlung im gleichen Umfang anfiele. Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung kritisierte Paul Rheinberger, die Kriterien seien "prototypisch für Heroinabhängige" und daher ungeeignet.
Vertreter mehrerer der an dem Modellprojekt beteiligten Städte verwiesen dagegen darauf, dass keineswegs alle vorhandenen Therapieplätze für eine Diamorphin-Behandlung in Anspruch genommen würden. Befürchtungen, "dass zu viele Patienten kommen würden", träfen angesichts der engen Zugangsvoraussetzungen nicht zu, sagte etwa Marlis Bredehorst von der Stadt Köln. Auch Rainer Blobel aus Karlsruhe betonte: "So viele, die vor der Tür stehen, gibt es nicht."