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Die Koalition bereitet Gesetz gegen Hinterziehung vor. Die Unionsfraktion aber hat Bedenken
Die Botschaft der Schweiz in Berlin liegt in Rufweite zu Kanzleramt und Bundestag. Und dennoch ist es übermäßig laut geworden zwischen Politikern beider Länder: Der Streit über den Umgang mit sogenannten Steueroasen belastet das bilaterale Verhältnis ebenso wie das Klima in der Großen Koalition - und könnte wohl eine wichtige Rolle im Bundestagswahlkampf spielen.
Das Bundeskabinett verschob erneut seine für den 25. März geplante Beratung über den Gesetzentwurf aus dem Hause von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zum Kampf gegen Steueroasen. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) stellt sich seit Wochen gegen das Vorhaben von Steinbrück quer.
Die Sozialdemokraten drängen gleichwohl weiterhin darauf, dass das geplante Steuerhinterziehungsgesetz kommt. Damit könnten jene Informationen, die Staaten mit einem starken Bankgeheimnis nicht liefern, unmittelbar vom Steuerpflichtigen eingefordert werden. Die Union sieht darin einen Generalverdacht gegen jeden, der in Ländern wie Schweiz und Liechtenstein Geschäfte macht, und lehnt den Entwurf in der jetzigen Form ab.
Immerhin stimmte der Bundestag am 26. März zwei Abkommen mit der Regierung von Jersey ( 16/12449, 16/12066, 16/12067) zu. Das erste regelt den Informationsaustausch in Steuerfragen. Bis auf die Grünen stimmten alle Fraktionen dafür. Das zweite Abkommen, das gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung der Linksfraktion beschlossen wurde, verhindert Doppelbesteuerungen. Die Abkommen werden als großer Schritt im Kampf gegen Steuerhinterzieher angesehen, die gern die Kanalinsel als Fluchtort für ihr Kapital wählten. Ähnliches wird mit der Schweiz angedacht. Derzeit überwiegt die Missstimmung ob der Steinbrückschen Wortspiele.
Der Finanzminister hatte eine mögliche internationale Steuersünder-Liste mit der "Kavallerie" verglichen, die man "nicht unbedingt ausreiten" lassen müsse. "Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt."
So mancher Politiker in der Schweiz verlor da seine Zurückhaltung. Der Verteidigungsminister tauschte seinen Dienst-Mercedes gegen einen französischen Renault Espace ein. Im Internet erfahren schweizerische Hass-Seiten gegen Steinbrück seit Tagen Zulauf. Die aktuelle Debatte offenbart das nie abgetaute Misstrauen vieler Schweizer gegenüber den Deutschen, eine Art David-gegen-Goliath-Syndrom, genährt aus Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg. Nicht wenige Schweizer sahen deshalb in den "hässlichen Deutschen".
Denn Steinbrücks Worte fielen einen Tag nach der Ankündigung aus Bern, das schweizerische Bankgeheimnis bei Steuerhinterziehung zu lockern und künftig die Standards der OECD zu befolgen. Ein gewaltiger und nicht schmerzfreier Schritt in der Geschichte der Schweiz, für den viele Eidgenossen eher Anerkennung als Indianer-Vergleiche erwartet hatten.
Von den emotionalen Reaktionen aus der Schweiz verschreckt, rügten deutsche Politiker mit einiger Verzögerung Steinbrück für seine Wortwahl. Der Minister bewege sich auf der internationalen Bühne "wie ein Elefant durch den Porzellanladen", rügte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Norbert Röttgen. Zuvor hatte bereits Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) Peer Steinbrück vorgeworfen, das Ansehen Deutschlands in der Welt zu beschädigen: "Es ist völlig unangemessen, wie der Bundesfinanzminister sich im berechtigten Kampf gegen Steueroasen mit einer völlig inakzeptablen Wortwahl gegenüber der Schweiz hervortut."
Die SPD steht indes geschlossen hinter Steinbrück und scheint ein weiteres Wahlkampfthema gefunden zu haben. Man werde beim Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steueroasen "hammerhart" bleiben und voll die Linie von Steinbrück unterstützen, kündigte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann, an.
Bei den Grünen regt sich dagegen Kritik. Steinbrücks "Feldzug" gegen Länder wie Liechtenstein und die Schweiz werde dem Problem bei allen berechtigten Vorwürfen nicht gerecht, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick. Man dürfe "nicht nur mit dem Finger auf andere zeigen, sondern muss auch vor der eigenen Tür kehren", so Schick. Den Finanzexperten stört, dass deutsche Banken ungehindert ihre Kunden auch über Niederlassungen in Steueroasen betreuen und somit dem Staat Einnahmen entziehen.
FDP-Chef Guido Westerwelle griff Steinbrück scharf an: "Nicht die Oase ist das Problem, sondern die Wüste drumherum." Steinbrück habe mit seinen "Wildwest-Äußerungen" großen Schaden angerichtet. Kurz und knapp reagierte die Linkspartei. Steueroasen, so Linke-Chef Lothar Bisky, gehörten wirksam ausgetrocknet.