Klimaschutz
Ringen um einen Rechtsrahmen für die Kohlendioxidabscheidung - Hoffen auf »Brückentechnologie«
Für SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel belegt dieses Projekt, dass der Klimaschutz trotz Wirtschaftskrise nicht ins Hintertreffen gerät. CSU-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg stellt "Investitionen in eine zukunftsträchtige Energietechnologie" in Aussicht. Viel Optimismus. Mehrfach aber wurde ein von beiden Ministerien erarbeiteter Gesetzentwurf für die Abscheidung und unterirdische Lagerung von Kohlendioxid schon auf die Tagesordnung des Kabinetts gehievt und dann wieder vertagt. Die Verhandlungen über Details der avisierten Regelung entpuppten sich als unerwartet schwierig. Nun soll bis zum 1. April der Durchbruch gelingen und das Kabinett entscheiden. Brandenburgs SPD-Regierungschef Matthias Platzeck macht Druck: "Jedes Abwarten ist ein Rückschlag für den Klimaschutz." Der CDU-Bundestagsabgeordnete Joachim Pfeiffer kritisiert derweil Teile der SPD-Fraktion, deren Widerstand gegen das Vorhaben habe "die Schmerzgrenze erreicht".
CCS verheißt für die Befürworter einen Ausweg aus der Klimafalle, ist hingegen für Gegner eine Schreckensvision. CCS steht für "Carbon Capture and Stockage", also für die Abtrennung des Kohlendioxids in Kraftwerken sowie dessen Transport in Pipelines oder auf Straßen und Schienen zur Verpressung in unterirdische Lagerstätten. Nach unterschiedlichen Schätzungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und anderer Institute können in Norddeutschland vor allem in salzführenden Gesteinsformationen, aber auch in leeren Erdgasfeldern, zwischen 16 und 40 Milliarden Tonnen Kohlendioxid deponiert werden.
Die Alarmmeldungen zum Klimawandel reißen nicht ab, zu denken ist nur an schmelzende Gletscher. Deutschland will den Ausstoß der Treibhausgase vor allem durch den Ausbau erneuerbarer Energien reduzieren. Weltweit aber dürfte die Kohle "auch noch in den nächsten Jahrzehnten für die Stromerzeugung eine wichtige Rolle spielen", analysiert Platzeck. Die liberale Abgeordnete Gudrun Kopp verweist besonders auf China und Indien. Auch hierzulande gehört für die FDP zu einem Energiemix "saubere Kohle", Gabriel und die Union wollen auf solche Kraftwerke ebenfalls nicht verzichten.
Es eröffne sich nun die Chance, dass CCS im globalen Maßstab für eine "Übergangszeit bis etwa 2050 als Brückentechnologie wertvolle Dienste leisten kann", so Pfeiffer. Kopp spricht von einem "technologischen Meilenstein", CCS könne zum "Exportschlager" werden. Die liberale Energiepolitikerin macht indes wie Pfeiffer darauf aufmerksam, dass erst noch getestet werden müsse, ob CCS in großtechnischem Maßstab funktioniere, ob die Lagerung sicher zu handhaben sei und ob dies auch wirtschaftlich sei. Das Gesetz ist als Rechtsrahmen für die Erforschung von CCS und dessen spätere Praxis gedacht. Ohne Rechtssicherheit werde die Wirtschaft nicht Milliarden investieren, mahnt Pfeiffer.
Bislang steckt diese Technik noch in den Kinderschuhen. In Ketzin bei Potsdam untersucht das Deutsche Geoforschungszentrum derzeit, wie sich verflüssigtes Kohlendioxid in 800 Meter Tiefe verhält. In der Lausitz betreibt Vattenfall beim Kraftwerk Schwarze Pumpe eine Pilotanlage, mit der Kohlendioxid bei der Braunkohleverbrennung abgeschieden wird. Bei Beeskow und Neutrebbin plant der Konzern die Erkundung unterirdischer Deponien. Bis 2015 will Vattenfall in Jänschwalde bei Cottbus ein CCS-Demonstrationskraftwerk errichten. CCS-Projekte haben auch RWE und Eon angekündigt.
Richtig losgehen kann es, so alles klappt, mit CCS wohl erst um 2020. Gerungen wird zwischen Wirtschafts- und Umweltressort wie zwischen den Koalitionsfraktionen über diverse Details des Gesetzes. Sollen die Unternehmen 20 oder 30 Jahre für die Sicherheit der Lagerstätten haften? Wie wird deren technischer Standard definiert? Gabriels Ressort schwebt eine Verpflichtung der Betreiber zu Nachrüstungen gemäß dem technischen Fortschritt vor. Werden Genehmigung und Kontrolle von CCS nach dem Bergrecht, dem Abfallrecht oder einem ganz neuen Recht praktiziert? Das schärfere Abfallrecht sei unnötig, das verhindere Investitionen, sagt Kopp. Pfeiffer warnt Kritiker in den Reihen der SPD vor zu hohen Hürden: "Ein CCS-Verhinderungsgesetz machen wir nicht mit."
Nun wäre es ein Wunder, provozierte die neue Technik mit Milliarden von Treibhausgastonnen unter der Erde keine Konflikte. Eva Bulling-Schröter jedenfalls stößt diese Strategie "sehr bitter auf". Die Sicherheit der Lagerstätten sei auf lange Sicht nicht gewährleistet, kritisiert die Abgeordnete der Linksfraktion, der Wirkungsgrad der Kraftwerke verringere sich durch CCS um ein Drittel. CCS binde Forschungsmittel, die besser in den Ausbau erneuerbarer Energien gesteckt würden. Deren Nutzung helfe dem Klimaschutz mehr als CCS, betont Bulling-Schröter.
Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) findet es richtig, "CCS weiter zu erforschen und zu erproben". Für diese Technik dürfe es aber "keinen Sicherheits-Rabatt" geben. Der Gesetzentwurf vernachlässige den Schutz von Mensch und Umwelt, die Haftung für CCS-Langzeitrisiken werde "auf die Steuerzahler abgewälzt."
Für Greenpeace-Sprecher Karsten Smid schafft CCS "geologische Zeitbomben". Das Gesetz diene nicht dem Klimaschutz, sondern der "Rettung des Klimakillers Kohle". Treibhausgase müssten vermieden, nicht in die Erde gepresst werden. Aus Sicht des Bunds für Umwelt und Naturschutz nützt das Gesetz den Interessen der großen Stromkonzerne. Angesichts steigender Treibhausgasemissionen ist die Umweltstiftung WWF hingegen überzeugt, dass an einer CCS-Markteinführung kein Weg vorbei führt. Jetzt müssten alle Möglichkeiten zur Emissionsminderung ergriffen werden, sagt Regine Günther.