ITALIEN
Neues Parteienbündnis - große Pläne
Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi nutzt derzeit jede Gelegenheit, das Parlament in seiner bisherigen Form für einen Klotz am Bein effizienter Regierungsarbeit zu erklären: Zuletzt schlug er vor, nur noch die Fraktionsvorsitzenden abstimmen zu lassen, säßen die anderen Abgeordneten doch ohnehin nur tatenlos da. Vor allem aber seit dem 29. März, als er sich von 6.000 Delegierten zum Präsidenten seiner neuen Partei "Volk der Freiheit" wählen ließ, lässt er keinen Zweifel daran, dass er das Parlament umkrempeln, oder vorsichtiger ausgedrückt, reformieren will. Unter anderem sollen nicht mehr für jedes Gesetz beide Kammern zustimmen müssen. Berlusconi betont: "Die Reform soll das Parlament nicht demütigen, sondern ihm seine wahre gesetzgeberische Rolle und seine volle Würde zurückgeben."
Vor allem aber hat Berlusconi den Blick auf die Exekutive gerichtet. Er fordert eine Richtlinienkompetenz für den Ministerpräsidenten und künftig nur noch konstruktive Misstrauensvoten, was den Sturz seiner Regierung erheblich erschweren würde. Außerdem beansprucht er das Recht, das Parlament auflösen zu lassen; Berlusconis Traum ist ein präsidiales System mit ihm an der Spitze. Auf dem Weg dorthin zählt er vor allem auf das Volk, das den Staatspräsidenten künftig selbst wählen soll. In seiner neuen Partei "Volk der Freiheit" ist sein Wunsch schon wahr geworden: Er hat dort weitgehende politische und personelle Entscheidungsbefugnisse.
Der "Popolo delle Libertà" ist nicht nur der Zusammenschluss von Alleanza Nazionale und Forza Italia; 12 weitere kleine Splitterparteien haben sich dem Bündnis angeschlossen. Sein Ziel ist es, bei künftigen Wahlen 51 Prozent der Stimmen zu bekommen. Die "Politische Bewegung für Ligurien" ist ebenso im Bunde wie die "Soziale Aktion" von Alessandra Mussolini oder die "Neuen Sozialisten". Das unübersichtliche Parteiensystem Italiens wird dadurch wesentlich homogener. 34 Parteien waren noch in der letzten Legislaturperiode im Parlament vertreten; jetzt sind es noch 5. Von der Sonderrolle der mit dem "Volk der Freiheit" fest verbundenen Lega Nord abgesehen, sind nur noch die "Italien der Werte"-Partei und die Zentrumsunion UDC außerhalb der beiden großen parlamentarischen Blöcke angesiedelt.
Mit Spannung war der Auftritt von Parlamentspräsident Gianfranco Fini auf dem Gründungskongress des "Volkes der Freiheit" erwartet worden. Der Ex-Alleanza Nazionale-Chef hatte Berlusconi zuvor zur Einhaltung demokratischer Spielregeln und zu Respekt vor dem Parlament ermahnt. Doch Fini wurde nicht zum Spielverderber. Er wandte sich zwar gegen Versuche, das institutionelle Gleichgewicht zwischen Regierung und Parlament auszuhebeln und sprach sich für innerparteiliche Demokratie im "Volk der Freiheit" aus. Doch er bekräftigte auch, dass die Partei in Berlusconi ihren unbestrittenen Führer habe. Größere parteiinterne Differenzen werden von politischen Kommentatoren in Italien kaum erwartet.
Am letzten Tag des Parteikongresses und der Wahl Berlusconis zum Parteichef fehlte Fini dann aber doch. Aus Rücksicht auf Finis überparteiliches Amt als Parlamentspräsident, so verlautete es etwas gequält, sei seine Anwesenheit bei Berlusconis Inthronisierung nicht opportun gewesen.
Mit dem "Volk der Freiheit" ist Berlusconi jetzt der Führer der größten europäischen Volkspartei. Die Mehrheitsverhältnisse zugunsten des Mitte-Rechts-Lagers sind derart ausgeprägt - etwa 20 Prozent Vorsprung gegenüber Mitte-Links -, dass seine Machtposition in Partei und Land ungefährdet erscheint. Wenn es ihm in zwei Monaten gelingt, nicht nur die Europawahlen zu gewinnen, sondern auch bei den gleichzeitig abgehaltenen Regionalwahlen entscheidende Regionen zu gewinnen, ist er auf einem weiteren Höhepunkt seiner Macht angelangt.