GESUNDHEIT
Das europäische Parlament billigt Entwurf, der die Rechte von Patienten regelt
Wer seine Augen in Ungarn lasern oder seine Zähne in Frankreich behandeln lässt und die Rechnung hinterher bei seiner deutschen Kasse einreicht, kann eine unangenehme Überraschung erleben. Einige Versicherungen ziehen saftige Bearbeitungskosten von der Erstattungssumme ab oder verlangen zusätzliche Auskünfte, warum die Behandlung im Ausland nötig war. Mehrfach hat der Europäische Gerichtshof in den letzten Jahren festgestellt, dass heimische Kassen die Arztbehandlung im Ausland vergüten müssen. Damit endlich Rechtssicherheit herrscht und nicht jeder Patient im Zweifelsfall eine neue Klage anstrengen muss, hat die Europäische Kommission eine Richtlinie auf den Weg gebracht, die die Rechte von Patienten regeln soll, wenn sie Gesundheitsdienste in einem anderen Land in Anspruch nehmen. Am 31. März stimmte der Ausschuss für Volksgesundheit im Europaparlament zum ersten Mal darüber ab.
Die Berichterstatterin, die SPD-Abgeordnete Dagmar Roth-Behrendt, zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis. 1.300 Änderungsanträge hatten auf der Abstimmungsliste gestanden, denn das Thema Gesundheitsversorgung wird in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich betrachtet. Länder wie Spanien, wo es keine freie Arztwahl gibt, sehen ihre Patienten bereits nach Frankreich oder Portugal abwandern. Auch Großbritannien, dessen Gesundheitssystem jahrzehntelang kaputtgespart wurde, fürchtet, dass durch reisefreudige Briten enorme Erstattungskosten auf den öffentlichen Haushalt zukommen könnten. Nach Schätzungen der EU-Kommission wird im Gesundheitswesen jedes Jahr europaweit eine Billion Euro umgesetzt. Nur ein Prozent davon, also zehn Milliarden, entfallen auf grenzüberschreitende Leistungen. Dagmar Roth-Behrendt glaubt nicht, dass dieser Anteil steigen wird, wenn das neue Gesetz in Kraft ist. "Wer die Grenze überschreitet, um sich behandeln zu lassen, tut das aus Verzweiflung. Kein Kranker reist freiwillig in ein fremdes Land", ist sie überzeugt.
Nach dem jetzt vom EU-Parlament gebilligten Entwurf können ambulante Behandlungen und Routinetherapien im Ausland in Anspruch genommen werden, ohne dass der Patient seine Kasse zuvor informieren muss. Für stationäre oder hochspezialisierte Behandlungen bedarf es einer Genehmigung vorab. Die kann nur verweigert werden, wenn das jeweilige nationale Gesundheitssystem besonders störanfällig ist oder wenn die Planungssicherheit der Krankenhäuser durch massive Abwanderungen ins Ausland leidet.
Erstattet werden nur Leistungen, die auch im Inland erstattungsfähig sind. Wenn ein Land eine bestimmte Therapie gar nicht anbietet, kann der Patient nicht ins Ausland ausweichen. Ausgenommen von dieser Regel sind nur extrem seltene Krankheiten, für die es nicht in allen EU-Ländern Therapien gibt.