In Deutschland soll es Zeiten gegeben haben, in denen die Bürger ihre Verfassung genauso verehrten wie die Bibel. Die liberale Presse im Großherzogtum Baden forderte 1843 gar, "dass jeden Sonntag solang darin gelesen werden sollte, bis die Hauptgrundsätze in Kopf und Herzen unverlöschbar eingeprägt sind". Ein hehrer Wunsch, der sich nie erfüllen wird. Dennoch hat sich in der Bundesrepublik der integrative und identitätsstiftende Geist des Grundgesetzes erfolgreich entfalten können, wie Hans Vorländer treffend beweist. Blickt man wie der Politikwissenschaftler auf den "spezifisch deutschen Entwicklungsweg" zurück, war das nach 1945 nicht unbedingt zu erwarten. Aus den Fehlern von 1848/49 und 1919 hatte man zwar gelernt, eine emotionale Beziehung zur Verfassung wie in den USA oder Frankreich hat sich jedoch nie eingestellt.
Die Vernunftehe zwischen Volk, Volksvertretern und Verfassung hält im Streitfall nicht zuletzt das Verfassungsgericht zusammen. Auf diese Besonderheiten und die in anderen westlichen Staaten weist Vorländer in seiner konzisen Verfassungsgeschichte ebenso kritisch wie lobend hin.
Hans Vorländer:
Die Verfassung. Idee und Geschichte.
Verlag C. H. Beck, München 2009; 128 S., 7,90 ¤