BANKENRETTUNGSFONDS
Unmut unter Abgeordneten über die Informationspolitik der Regierung
Manchmal wird ihm Angst und Bange. Dann mustert Albert Rupprecht mit zusammengekniffenen Augen den kleinen Panzerschrank kritisch in seinem Büro, darin ein Stapel Dokumente. "Ich schlucke ständig bei den Beträgen", sagt der CSU-Abgeordnete. "Jede Woche versuchen wir neu, die Katastrophe zu verhindern." Der Stapel im Safe: neueste Akten zu bedrohten Geldhäusern der Republik. "Es geht um brutalst existenzielle Entscheidungen."
Rupprecht steht dem Kontrollgremium des staatlichen Bankenrettungsfonds vor. Jene parlamentarische Instanz, die dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) auf die Finger schauen soll - und dies mit zunehmender Kritik am Gebaren der Exekutive.
"Noch niemals in der Geschichte der Bundesrepublik wurden derart große Summen mit derart geringer parlamentarischer Kontrolle bewegt", ärgert sich Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Und auch Rupprecht bestätigt: "Ein Grund-Misstrauen ist mittlerweile da."
Ein handfester Konflikt zwischen Legislative und Exekutive zeichnet sich ab. 480 Milliarden Euro stehen dem Soffin zur Verfügung, das ist nahezu der doppelte Bundesetat. Welche Bank wie viel erhält, entscheiden nicht Parlamentarier, sondern Beamte im Lenkungsausschuss des Soffin. Doch dem Finanzmarktgremium unter Rupprecht missfällt zunehmend die Informationspolitik aus dem Finanzressort. "Einige im Ministerium verfahren nach der Methode: Was man nicht weiß, wird nicht zum Thema", bilanziert Rupprecht. Die Zusammenarbeit mit dem Leitungsausschuss des Soffin dagegen gestalte sich besser. Das vornehmlich aus Bankern bestehende Leitungsgremium erarbeitet für den Lenkungsausschuss Vorschläge, wie mit den Hilfsgeldern verfahren werden soll. Hapern tut es also eher zwischen Beamten und Politikern.
Besonders die Geheimhaltungspolitik stößt den Gremiumsmitgliedern auf. Sie erhalten keine direkte Akteneinsicht, sondern müssen Fragen an das Ministerium stellen. "Leider waren die Antworten teilweise nichtssagend", sagt Rupprecht. Ansonsten werden die Abgeordneten des Kontrollgremiums in jeder Sitzungswoche des Parlaments freitags um acht von den Leitungs- und Lenkungsausschüssen des Soffin informiert - in einem abhörsicheren Raum. Vielen reicht diese parlamentarische Kontrolle nicht aus. "Einer eigenen Akteneinsicht und direkten Gesprächen mit Managern stehe ich aufgeschlossen gegenüber", sagt Rupprecht.
Gerade die Geheimhaltung der Unterlagen ist den Abgeordneten notwendig und hinderlich zugleich. Natürlich erschiene es auch ihnen wenig hilfreich, wenn sensible Daten strauchelnder Banken wie auf Marktplätzen kursierten und womöglich Börsenkurse oder Kundenverhalten beeinflussten. Doch wenn die Abgeordneten mal mit dem Rettungsfonds über Kreuz liegen, müssen sich die Parlamentarier ihre öffentlichen Worte gut überlegen - unterliegen sie doch der Schweigepflicht. Da sie aber selbst nicht mit entscheiden dürfen, bleibt ihnen als einziger Druckhebel der Weg nach außen. "Ohne Öffentlichkeit wird unsere Wirkung geschwächt", fasst Rupprecht diesen Balanceakt zusammen.
Rupprecht wünscht sich die Gründung einer unabhängigen Sonderkommission, die ermittelt, wer in den Banken und der Bankenaufsicht die Verantwortung für die Schieflagen trägt: "Diese Kommission sollte Zugriffsrechte wie eine Staatsanwaltschaft haben, aber sich nicht nur auf strafrechtlich relevante Fragen beschränken." Die Informationspolitik des Finanzministeriums haben mittlerweile auch andere Abgeordnete ins Visier genommen. "Hier wird der Parlamentarismus praktisch abgeschafft", sagte Christian Ströbele, dessen Fragen von der Regierung nicht beantwortet wurden. Rupprecht würde sich schon freuen, wenn Peer Steinbrück wenigstens mal käme. Zum Kontrollgremium hatte der 40-Jährige den Finanzminister persönlich eingeladen; der schickt lieber seinen Staatssekretär Axel Nawrath.
Rupprecht wirkt etwas müde. In den letzten Wochen ist er meist um fünf in der Früh aufgestanden, um den Aktenberg zu bearbeiten. Zusätzliche Mitarbeiter hat er nicht bekommen. Und wann kommt der Finanzminister nun mal? Rupprecht denkt nach, wägt langsam seine Worte ab. "Ich würde es für geboten halten, dass Herr Steinbrück uns einmal besucht."