GASFÖRDERUNG
Die großen Energiekonzerne wollen die Erdgasförderung in Deutschland ausbauen - neue Fördertechniken machen auch kleine Vorkommen attraktiv
Die weltweite Wirtschaftskrise hat die Preise für Öl und Gas kräftig gedrückt. Das wird aber nicht so bleiben. Mittelfristig, da sind sich die Experten einig, werden die Brennstoffe wieder teurer. Aufstrebende Schwellenländer wollen wachsen und dazu brauchen sie Energie. Die globale Nachfrage wird also wieder steigen und damit die Preise. Gleichzeitig verringern sich die weltweiten Ressourcen, und alternative Energien werden auf Jahre hinaus die fossilen Energieträger nicht ersetzen können.
Vor diesem Szenario gewinnt die deutsche Erdgasproduktion immer mehr an Bedeutung. In der Öffentlichkeit ist bislang kaum bekannt, dass Deutschland in der norddeutschen Tiefebene seit Jahrzehnten Erdgas fördert. Die hier tätigen Explorationsfirmen agieren eher als Mauerblümchen, weil die Vorkommen im weltweiten Maßstab vergleichsweise gering sind. Zudem schrumpft die Fördermenge seit Jahren. 2008 wurden nach Angaben des WEG Wirtschaftsverbandes Erdöl- und Erdgasgewinnung 15,5 Milliarden Kubikmeter Gas gefördert, neun Prozent weniger als im Jahr davor.
Der Anteil heimischen Gases an der Versorgung ging dadurch von 20 auf 16 Prozent zurück. Die Menge reichte aber immer noch aus, um in Deutschland mehr als ein Drittel aller Haushalte, die mit Gas heizen, mit diesem Brennstoff zu versorgen. Energieunternehmen wie RWE Dea, die zur BASF-Gruppe gehörende Wintershall oder ExxonMobil wollen die inländische Erdgas-Förderung wegen der auf längere Sicht wieder erwarteten höheren Energienachfrage aber ausweiten.
Das geht bei der relativ ungünstigen geologischen Lage in Deutschland nur mit neuen, kostspieligen Technologien. Zum Beispiel mit Spezialpumpen, die auch bei geringem Druck noch Gas fördern oder Bohrern, die in große Tiefe und horizontal vordringen, können die Firmen die Vorkommen inzwischen wirtschaftlich ausbeuten. Besonders schwierig ist es, die in der Branche so genannten "Tight Gas"-Vorkommen zu erschließen. Dabei handelt es sich um Erdgas, das in sehr kompaktem, nahezu undurchlässigem Gestein eingelagert ist. "Tight Gas"-Felder kommen bei uns vor allem im Norddeutschen Becken vor. Sie sind zum Teil seit Jahrzehnten bekannt, waren aber wegen der Schwierigkeiten der Exploration lange Zeit nicht beachtet worden. Inzwischen steht die nötige Fördertechnik zur Verfügung, um auch dieses Gas wirtschaftlich gewinnen zu können. Im friesischen Leer hat ein Firmenkonsortium aus Gaz de France und Wintershall bereits erfolgreich ein solches Feld angebohrt. Die Unternehmen kostet es eine Menge Geld, diese Technologien zur Einsatzreife zu bringen. 470 Millionen Euro investierten sie im vergangenen Jahr unter anderem in Forschung und Entwicklung, 40 Prozent mehr als im Jahr davor. Dabei denken die Unternehmen langfristig. Manchmal könne es zehn Jahre dauern, von den ersten Untersuchungen bis zur Aufnahme der Förderung, weiß Manfred Dworatzek, der als Leiter Exploration bei RWE Dea für die Gassuche verantwortlich ist. Angesichts derart langer Planungsphasen spielten kurzfristige Preisschwankungen eine untergeordnete Rolle.
Die höheren Investitionen in Forschung und Entwicklung, aber auch in neue Bohrungen haben sich deutlich in der Beschäftigung in Deutschland niedergeschlagen, die im Unterschied zur tatsächlichen Gasförderung seit Jahren zunimmt. Ende 2008 waren in der Branche nach Verbandsangaben gut 8.000 Menschen beschäftigt, 500 mehr als im Vorjahr und 40 Prozent mehr als noch 2004. Einschließlich Zulieferern und Dienstleistungen errechnet der Verband rund 20.000 Arbeitsplätze. Dies ist umso bedeutsamer, als die meisten dieser Jobs in eher strukturschwachen, ländlichen Gegenden entstanden sind. Mit 94 Prozent wird der Löwenanteil des heimischen Gases in Niedersachsen gefördert. Hier und auf dem Gebiet von Schleswig-Holstein liegt auch der größte Teil der als sicher nachgewiesenen Reserven. Aber mit den neuen Technologien könnte es auch interessant werden, in anderen Regionen Deutschlands die dürftigeren Vorkommen zu erschließen und nach weiterem Gas zu suchen. Vorigen Oktober hat ExxonMobil in Stemwede in Ostwestfalen mit einer ersten Probebohrung begonnen. Auch in Bayern wird es möglicherweise eine Wiederbelebung der Erdgasförderung geben. Die Münchener Bayerngas will die Chancen der neuen Techniken nutzen, um zusammen mit den Spezialisten der Rohöl-Aufsuchungs AG aus Wien in den nächsten zwei Jahren verstärkt nach neuen Reserven zu bohren.
"Wir haben in den letzten Jahren unsere Aktivitäten deutlich erhöht", sagt Gernot Kalkoffen, Vorstandschef der europäischen ExxonMobil und Vorsitzender der WEG über seine Branche. Es geht dabei auch um Versorgungssicherheit. Wie abhängig Deutschland von Importen ist, hat im Winter der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine gezeigt, in dessen Verlauf über Tage nur gedrosselte Mengen Erdgas aus den Pipelines angekommen waren. Dass nicht ernsthaft die Gefahr einer Versorgungslücke bestanden hatte, liegt nach Ansicht von Kalkoffen vor allem an der Diversifizierung der Versorgung mit Gas. Deutschland bezieht etwa ein Drittel seines Erdgases vom russischen Gasriesen Gazprom. Der überwiegende Anteil kommt aber aus europäischen Quellen, vor allem aus Norwegen und den Niederlanden - und eben auch aus eigener Förderung. Für die Zukunft der deutschen Gasproduktion ist Kalkoffen optimistisch. Es gebe noch genügend Lagerstätten, die erschlossen werden könnten.