BUNDESRAT
Auch in der Länderkammer können Union und FDP mit einer Mehrheit rechnen
Knapp 44 Millionen Wähler haben am 27. September über die Zusammensetzung des neuen Bundestages entschieden. Darüber, wie leicht der dabei gewählten Mehrheit von Union und FDP das Regieren künftig fallen wird, sprachen zusätzlich 1,6 Millionen Schleswig-Holsteiner ein gewichtiges Wort mit: Sie stimmten zugleich über ihren neuen Landestag ab und damit indirekt auch über die Kräfteverhältnisse im Bundesrat, dem zweiten Gesetzgebungsorgan des Bundes.
Dabei haben die Nordlichter, wie es scheint, den künftigen schwarz-gelben Koalitionären auch im Bundesrat zur Mehrheit verholfen: Nach der von der Landeswahlleiterin verkündeten Sitzverteilung im künftigen Kieler Landtag jedenfalls können CDU und FDP in Schleswig-Holstein eine gemeinsame Regierung bilden und damit auch das gemeinsame Lager in der Länderkammer über die entscheidende Marke von 35 Stimmen hieven, die im Bundesrat für die absolute Mehrheit erforderlich sind.
Die neue Sitzverteilung in Kiel ist allerdings umstritten, weil die CDU aufgrund von drei Überhangmandaten zusätzliche Sitze erhielt, die nicht durch sogenannte Ausgleichsmandate für andere Parteien abgedeckt wurden. Es galt zunächst als offen, ob das von der Landeswahlleiterin verkündete vorläufige Endergebnis vom Landeswahlausschuss Mitte Oktober gebilligt wird. In dem siebenköpfigen Gremium haben neben der Wahlleiterin CDU, SPD, FDP, Grüne, Linke und der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) je eine Stimme. SSW-Spitzenkandidatin Anke Spoorendonk befand indes am Tag nach der Wahl, dass eine nachträgliche Änderung der Sitzverteilung durch den Ausschuss "nicht vermittelbar" sei.
Für die künftige Bundesregierung haben die vier Bundesratsstimmen von Schleswig-Holstein große Bedeutung. In der Länderkammer nämlich ist für alle Beschlüsse die absolute Mehrheit erforderlich, sofern nicht wie etwa bei Grundgesetzänderungen eine Zweidrittelmehrheit aufgebracht werden muss. Letztere liegt im Bundesrat bei 46 Stimmen und die absolute Mehrheit bei 35.
Schon vor den jüngsten Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland Ende August sowie jetzt in Brandenburg und Schleswig-Holstein kamen Union und Freidemokraten im Bundesrat zusammen auf über 35 Stimmen: Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen mit ihren jeweils 6 Bundesratsstimmen sowie Hessen mit 5 Stimmen werden ohnedies von Koalitionen der Unions-Parteien mit der FDP regiert, die zusammen auf 29 Stimmen kommen. Gemeinsam mit den - nunmehr abgewählten - CDU-Alleinregierungen im Saarland (3 Stimmen) und Thüringen (4 Stimmen) hätte das neue schwarz-gelbe Lager im Bundesrat also eine Stimme "über den Durst" gehabt. Der Verlust dieser insgesamt 7 Stimmen wird für Union und FDP aber mehr als ausgeglichen, wenn wie in Sachsen künftig auch in Schleswig-Holstein eine CDU/FDP-Koalition über 4 Bundesratsstimmen verfügen kann.
Mit 37 Stimmen - also zwei über der absoluten Mehrheit - können die dann sieben gemeinsamen Landesregierungen von Union und FDP im Bundesrat den Ton angeben. Gegen ihren Willen kann die Länderkammer gegen keinen Gesetzesbeschluss des Bundestages Einspruch einlegen oder den Vermittlungsausschuss anrufen. Wichtiger noch für die künftige Bundesregierung ist indes, dass die schwarz-gelben Bundesratsstimmen für die oft erforderliche Zustimmung der Länderkammer zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestages ausreichen und so auf Zugeständnisse an Dritte verzichtet werden kann.
So findet sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer ähnlich komfortablen Situation wieder wie nach der Bundestagswahl 2005, als die große Koalition ebenfalls auf eine - damals schwarz-rote - Mehrheit von zunächst 36 Stimmen im Bundesrat setzen und diese sogar zur Zweidrittelmehrheit im Herbst 2006 ausbauen konnte. Damit war es indes schon im Mai 2007 wieder vorbei, als die große Koalition in Bremen von Rot-Grün abgelöst wurde. Und mit der Hessen-Wahl vom Januar dieses Jahres büßte Schwarz-Rot selbst die absolute Mehrheit im Bundesrat ein.
Eine ähnliche Erfahrung, allerdings deutlich schärfer, hatte auch Merkels Amtsvorgänger Gerhard Schröder (SPD) machen müssen. Bei seinem Amtsantritt 1998 saßen Sozialdemokraten in 13 von 16 Landesregierungen, und Rot-Grün hatte im Bundesrat die Mehrheit. Die freilich war schon mit der Hessen-Wahl vom Februar 1999 - der ersten Landtagswahl nach dem Regierungswechsel im Bund - dahingeschmolzen, und künftig mussten Kompromisse gesucht werden. Dies galt umso mehr, nachdem Schwarz-Gelb im Jahr 2002 mit der 35-Stimmen-Marke die absolute Mehrheit im Bundesrat erreicht hatte. 2005 schließlich, am Ende von Rot-Grün, war diese Farbkombination in der Länderkammer überhaupt nicht mehr vertreten.
Sowohl Rot-Grün als auch Schwarz-Rot gelang es also nicht, im Laufe ihrer Regierungszeit ihre zunächst vorhandene Mehrheit im Bundesrat zu halten. Ob sich dies jetzt bei Schwarz-Gelb wiederholt, wird sich frühestens im kommenden Frühjahr zeigen. Dann wählt mit Nordrhein-Westfalen das bevölkerungsreichste Bundesland einen neuen Landtag.