SPANIEN
Zehntausende Franco-Opfer liegen irgendwo verscharrt - die Regierung tut nichts
1936 stürzten aufständische Militärs um den General Francisco Franco in Spanien die Zweite Republik in einen Bürgerkrieg, den sie mit Hilfe des faschistischen Italiens und Hitler-Deutschlands drei Jahre später gewannen. In den ersten Jahren nach seinem Sieg führte Franco ein Terrorregiment, dem Zehntausende politische Gegner zum Opfer fielen. Nachdem jeder Widerstand gebrochen war, regierte er weiter mit autoritären Methoden bis zu seinem Tod 1975.
Seitdem sind mehr als drei Jahrzehnte vergangen, und noch immer ist den Franco-Opfern von Seiten des heute demokratischen Staates keine Gerechtigkeit widerfahren. "Spanien ist das einzige Land, in dem der Staat das Auffinden der Opfer den Angehörigen der Opfer überlässt", sagt Esteban Beltrán, Chef der spanischen Sektion von Amnesty International. "Wir haben ähnliche Prozesse in 30 Ländern analysiert, und Spanien ist eine Ausnahme beinahe in der ganzen Welt. In den allermeisten Ländern ist es die Staatsanwaltschaft, die die Untersuchung von Menschenrechtsverstößen erbeten und begonnen hat." Nicht so in Spanien. Im vergangenen Jahr wagte es der spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón, als Pinochet-Verfolger berühmt geworden, Ermittlungen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter der Franco-Diktatur aufzunehmen. Das Resultat: Dem Richter wird deswegen zurzeit der Prozess gemacht - weil er das Recht gebeugt haben soll. Ein Skandal, sagt der "Verein zur Wiedererlangung des Historischen Gedächtnisses". Er wurde vor neun Jahren von dem Journalisten Emilio Silva ins Leben gerufen, nachdem er die Überreste seines Großvaters aus einem Massengrab in Priaranza del Bierzo in der nordwestspanischen Provinz León geborgen hatte. Der republiktreue Großvater war von Franco-Leuten erschossen und in einem Straßengraben verscharrt worden. Aus der lokalen Privatinitiative ist eine gesamtspanische Bewegung geworden, die bis heute 200 Gräber geöffnet und rund 4.000 Opfer identifiziert hat.
Große Hoffnungen setzten die Angehörigen in Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero, dessen sozialistische Regierung vor zwei Jahren ein "Gesetz über das Historische Gedächtnis" durchs Parlament brachte, das nach seinem Wortlaut die Rechte von Gewaltopfern während des Bürgerkrieges und der Diktatur "anerkennt und erweitert". Die Hoffnungen wurden enttäuscht: Aus der Suche nach den Gräbern hält sich der Staat weiter heraus. Die Erinnerung an fast vierzig Jahre Gewalt und Unterdrückung wachzuhalten, ist in Spanien noch immer Sache von Privatleuten.
freier Journalist in Spanien.