EHRUNG
EU-Parlament verleiht Europäischen Bürgerpreis
Vor 15 Jahren änderte die damals 24-jährige Suzana Lipovac ihr Leben. Statt länger in einer Chemiefirma in Stuttgart Leitkleber für die Mikroelektronik zu verkaufen, beschloss die Tochter bosnischer Kroaten, ihren Job an den Nagel zu hängen und sich künftig um kriegsverletzte Kinder und Jugendliche in Bosnien-Herzegowina zu kümmern. 1993 gründete sie Kinderberg e.V. Bis heute sorgt der Verein, inzwischen auch in anderen Kriegs- und Krisengebieten der Welt, für Kinder, stellt psycho-soziale Projekte und medizinische Hilfen auf die Beine, errichtet Bildungs- und Therapiezentren. Heute ist Suzana Lipovac 40 Jahre alt und hat schon einige Preise für ihr Engagement bekommen. Am 9. November kam ein weiterer hinzu: Der Europäische Bürgerpreis des Europäischen Parlaments. Er wurde in diesem Jahr zum allerersten Mal überhaupt verliehen und von EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek in Berlin persönlich an die Preisträger überreicht.
Insgesamt hat das Parlament 37 Personen und Organisationen ausgezeichnet, elf davon aus Deutschland. Vorgeschlagen wurden sie von den Abgeordneten, den Fraktionen oder dem Präsidenten des EU-Parlaments. Das Augenmerk der Jury, bestehend unter anderem aus dem Präsidium der Volksvertretung, lag auf jenen Projekten, Vereinen und Aktionen, die sich für ein besseres gegenseitiges Verständnis zwischen den Menschen in Europa einsetzen und Werte wie Gastfreundschaft, Toleranz und Solidarität praktisch umsetzen. So wurde neben Suzana Lipovac beispielsweise auch die Initiative "Campus 15 - Jugend wagt den Frieden" ausgezeichnet, die seit 1997 internationale Jugendcamps organisiert. Das Donaubüro Ulm bekam die Ehrung, weil es sich für die Zusammenarbeit der Donauanrainerstaaten engagiert und Partnerschaften zwischen Städten und Regionen unterstützt.
Nicht zufällig wurde der Bürgerpreis an einem historischen Ort an einen denkbar historischen Tag verliehen: nämlich im Europäischen Haus in Berlin unmittelbar neben dem Brandenburger Tor am 20. Jahrestag des Mauerfalls. Während vor der Tür die Feierlichkeiten vorbereitet wurden, erinnerte EU-Parlamentspräsident Buzek - der erste Osteuropäer in diesem Amt - daran, warum das Engagement von Bürgern und der Zivilgesellschaft so wichtig und so preiswürdig ist: "Die Berliner Mauer ist von Bürgern eingerissen worden", sagte er. "Daher wollen wir mit diesem Preis den außergewöhnlichen Einsatz von Bürgern und Organisationen ehren, die sich für mehr Solidarität, Toleranz und ein Zusammenwachsen überall dort einsetzen, wo es nötig ist."
Für Suzana Lipovac ist der Bürgerpreis etwas ganz Besonderes - und eine Verpflichtung weiterzumachen. Sie bezeichnet Europa als ihr und ihrer Kinder "Zukunftsland" und sagt: "Wenn wir es in Europa schaffen, friedlich zu leben, können wir es auch anderswo schaffen. Europa ist dafür ein sichtbarer Beweis. Es zeigt anderen, weniger friedlichen Regionen: Es gibt eine politische Alternative für euch."