EUROPA
EU-weite Bürgerbegehren spätestens ab Ende 2010
Aus Sicht der Bürger Europas ist es eines der wichtigsten Elemente des EU-Reformvertrags von Lissabon: das "Europäische Bürgerbegehren". Zum ersten Mal haben die rund 500 Millionen Einwohner der EU die Chance, unmittelbar auf die europäische Politik Einfluss zu nehmen. Nötig sind eine Million Unterschriften. Kommen sie zusammen, muss die EU-Kommission einen Gesetzentwurf zu dem gewünschten Thema schreiben - oder zumindest ausführlich begründen, wieso das keinen Sinn macht.
Die EU-Kommission selbst unterstützt das Projekt mit Eifer, hofft sie doch, dass es dazu beiträgt, die Begeisterung für Europa endlich wieder anzufachen. Spätestens Ende 2010 sollten die ersten Bürgerbegehren anlaufen können, sagte Vize-Kommissionspräsidentin Margot Wallström am 11. November in Brüssel. Klar machte sie allerdings auch, dass die Initiative im Moment erst eine vage Idee ist. Unzählige Details müssen noch geklärt werden, von denen einige bemerkenswert vertrackt sind.
Eine der offenen Fragen: Dürfen auch Minderjährige unterschreiben? Das interessiert zum Beispiel Österreich, wo schon 16-Jährige zu Wahlen gehen dürfen. Es wäre widersinnig, sie von einem Bürgerbegehren auszuschließen. Andererseits will man Teenager in anderen EU-Ländern nicht benachteiligen. Eine anderer Punkt: Welche Form muss eine Europa-Petition haben? Muss es sich um einen echten Gesetzentwurf handeln, wie in einigen EU-Ländern für nationale Bürgerbegehren vorgeschrieben?
Vielleicht die wichtigste Frage: Wie lässt sich sicherstellen, dass die Unterschriften alle echt sind? Manche Bürger könnten versucht sein, zigmal und in verschiedenen Ländern zu unterschreiben. Der EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU) warnte bereits vor einer "rechtlichen Grauzone". Unklar ist auch, wie viele EU-Länder sich an einem Begehren mindestens beteiligen müssen und wie viele Unterschriften je Land nötig sind.
Wallström hat eine öffentliche Internet-Befragung gestartet, um die Fragezeichen zu beseitigen. Die Beratungen müssten zügig vonstatten gehen, damit das neue Instrument partizipativer Demokratie bald genutzt werden könne, sagte der liberale Europaabgeordnete Andrew Duff. Auch Grünen-Parlamentarier Gerald Häfner lobte die Initiative, bemängelte aber, dass die EU-Kommission Begehren ins Leere laufen lassen könne. Dass die europäischen Bürger ihre neuen Rechte nutzen werden, steht bereits fest. Schon vor Annahme des Lissabon-Vertrags hatte es symbolische Bürgerbegehren gegeben. So forderten fast 1,3 Millionen Menschen im Zuge der Kampagne "One Seat", dass das EU-Parlament seinen kostspieligen Zweitsitz in Straßburg aufgeben solle. Knapp 1,4 Millionen Bürger verlangten ein neues Gesetz gegen die Diskriminierung Behinderter.