TOURISMUS
450.000 Südafrikaner arbeiten in der Branche. Ökologisch-nachhaltige Konzepte begeistern Besucher wie Angestellte gleichermaßen
Viele Südafrikareisende schwärmen von der Schönheit des Landes und sind gleichzeitig von den großen materiellen Gegensätzen schockiert: Der Großteil der Bevölkerung, meist Schwarze und Farbige, wohnt in einfachen Hütten; die Weißen wohnen in schicken Vierteln. Da wünschen sich viele Besucher, mit Hilfe der eigenen Reisekasse die Verhältnisse wenigstens etwas zu verbessern. Keine unberechtigte Hoffnung, trägt der Tourismus doch rund acht Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. 450.000 Menschen arbeiten in der Branche.
Dass von diesem Erfolg offensichtlich nur wenige wirklich profitieren, beklagt auch der südafrikanische Tourismusminister Martinus van Schalkwyk: "Wir sind besorgt darüber, dass die Frage des Besitzes bei den Tourismusunternehmen am unteren Ende der Prioritätenliste steht", sagt er. "Es geht darum, Chancen für die Entwicklung der Gemeinschaft und für deren Beteiligung zu finden." Dass es auch anders geht, beweist das Gütesiegel von "Fair Trade in Tourism South Africa" (FTTSA). Das bekommen Unternehmen, die in hohem Maße Einheimische profitieren lassen, etwa durch nachhaltige Jobs für die verarmte Bevölkerung, Ausbildung oder Umweltfreundlichkeit. "Mit unserem Siegel zeichnen wir Betriebe aus, die faire und verantwortliche Geschäftspraktiken an den Tag legen", erklärt Marketingchef Lolle Mayer.
Das erste Siegel bekam die Bulungula Lodge an der Wild Coast in der Provinz Eastern Cape - eine wunderschöne Region, allerdings nicht nur touristisch völlig unterentwickelt. Zur Übernachtung muss über Schotterpisten angereist werden, die letzten Kilometer sind nur per Landrover-Shuttle zu bewältigen. Dafür wartet am Ende der Reise ein endloser Traumstrand, dahinter eine Idylle aus Wiesen und Wäldchen mit verstreuten Rundhütten, die sich über sanfte Hügel bis zum Horizont erstrecken. Die Lodge bietet in acht Rundhütten rund 40 Gästen Platz. Dazu kommen Haupt- und Duschhaus, sowie eine ovale Hütte mit farbenfrohen Komposttoiletten. Duschwasser wird mit Paraffin erhitzt, Strom spenden Solarmodule. Alles erbaut von den Bewohnern des 800-Einwohner-Dorfes Nqileni, denen die Lodge zu 40 Prozent gehört. Manager David Martin aus Kapstadt hat mehr als 73.000 Euro investiert, um das Projekt zu starten.
"Vor fünf Jahren lag hier die Arbeitslosigkeit noch bei fast 100 Prozent", berichtet Martin. "Die Lodge beschäftigt 20 Mitarbeiter, alle sozialversichert." Dazu kommen 13 Tourismusprojekte: Beim Gang durch die Wälder zum Beispiel erklärt ein traditioneller Heiler die Wirkung von Blättern und Kräutern. Auf einer Dorftour lernen Besucher nicht nur das obligatorische örtliche Bier kennen, es wird auch engagiert über Politik und Globalisierung debattiert. Die stetigen Besucherzahlen haben das Dorf wachgerüttelt. Es wurde eine eigene Hilfsorganisation gegründet, mit der die Grundschule neu errichtet und der Lebensstandard im Dorf verbessert wurde, etwa durch Gemüsegärten. "Was in Südafrika oft fehlt, sind Bildung und strategisches Denken", sagt David Martin. "Die Motivation hart zu arbeiten, ist dagegen meistens hoch." Hoch motiviert sind auch die 80 Mitarbeiter des Thakadu River Camps: Einer Fünf-Sterne-Safari-Lodge im Madikwe Nationalpark und ein in Südafrika einmaliges Projekt: Das Land, auf dem die Lodge liegt, gehört den Einheimischen der Region. Nach sieben Jahren Planung wurde die Lödge 2006 eröffnet. "Das war eine große Herausforderung, denn wir wussten überhaupt nichts vom Tourismusgeschäft", sagt Manager Benjamin Nboni. Er ist stolz, dass vom Putzmann bis zum Chef ausnahmslos alle Mitarbeiter aus der Region stammen: "Weil es um den Park herum keine Arbeit gibt und die Gewinne aus dem Projekt uns zufließen, sind alle entsprechend motiviert, und die Erfolgsquote ist enorm hoch." Das Fair-Trade-Siegel haben sie auch bekommen, wie insgesamt bisher 55 Hotels, Unterkünfte und Reiseagenturen. Die Tendenz steige, sagt Mayer von FTTSA.
Der Autor ist freier Journalist in Berlin.