KORRUPTION
Erlaubt ist, was nicht ausdrücklich verboten ist. So denken noch viele Staatsbeamte in Südafrika. Doch die Zeichen eines Paradigmenwechsels häufen sich
Spätestens seit Jacob Zumas Husarenritt an die politische Spitze Südafrikas ist das Thema Korruption am Kap ein Dauerbrenner. Man erinnere sich: Der heutige Präsident stand unter dem Verdacht von Korruption, Betrug, Geldwäsche und Steuerhinterziehung, bevor die Strafverfolgungsbehörde im April die Anklage fallen ließ. Zuvor war klar geworden, dass es im Verfahren massive politische Einmischung von Seiten der alten Eliten um den Ex-Präsidenten Thabo Mbeki gegeben hatte. So trat Zuma sein neues Amt zwar nicht gerade mit einem Glaubwürdigkeitsbonus an, aber legal mit einer weißen Weste. Doch wie schlimm steht es um Korruption in Südafrika?
Als 1994 der Afrikanische Nationalkongress (ANC) unter Nelson Mandela das Ruder übernahm, sah alles noch vielversprechend aus. Das Charisma und die moralische Größe des ersten Präsidenten strahlten auf das gesamte Land aus. Doch je sicherer sich der ANC im Sattel fühlte, je weiter er seine Kaderpolitik - die gezielte Platzierung von Parteimitgliedern in allen gesellschaftlichen Sphären - vorantrieb, desto schneller wuchsen die Probleme. Mandelas Nachfolger Mbeki sorgte mit seiner Wirtschaftspolitik dafür, dass richtig reich werden konnte, wer politisch gut vernetzt war. Viele Mitglieder verfolgen dieses Prinzip bis heute.
Im internationalen Vergleich rutschte das Land im Korruptionsindex von "Transparency International" zwischen 2000 und 2008 um 20 Plätze nach unten und steht unter 180 Ländern jetzt an 54. Stelle. Damit liegt es noch immer knapp vor Italien, Griechenland und Polen. Für das Globale Korruptionsbarometer gaben nur drei Prozent der südafrikanischen Befragten 2007 an, schon einmal Schmiergeld gezahlt zu haben. Im internationalen Vergleich muss sich Südafrika also nicht allzu sehr schämen. Das allerdings hat 2000 südafrikanische Staatsbeamte nicht davon abgehalten, zwischen 2005 und 2007 direkt oder indirekt von Regierungsaufträgen im Wert von mehr als 65 Millionen Euro zu profitieren.
Immerhin: Im Kampf gegen Korruption in öffentlichen Institutionen hat die Regierung Zuma erste Pflöcke eingeschlagen. So fand die Innenministerin Nkosazana Dlamini-Zuma harsche Worte für die Zustände in ihren Behörden: "Neben tausenden hart arbeitenden Beamten gibt es leider auch viele korrupte, die mit Kriminellen unter einer Decke stecken." Solche Töne sind neu am Kap. Glaubhaft werden sie allerdings nur dann, wenn von einfachen Beamten nicht mehr und nicht weniger erwartet wird als von hochrangigen Politikern. Die aber traten bereits in die ersten Fettnäpfchen, kaum dass sie im Amt waren.
Tage nach der Wahl fand Verkehrsminister Sbusiso Ndebele nichts dabei, einen S-Klasse-Mercedes als Geschenk einer Unternehmergruppe anzunehmen, bevor er den Wagen schließlich doch zurückgab. "Schade nur, dass er dafür drei Tage brauchte, zwölf Zeitungsaufmacher und 15 zeternde Oppositionspolitiker", meinte ein Chefredakteur hinterher lakonisch. Wenig später, während Tausende Slumbewohner im ganzen Land für ein besseres Leben protestierten, gönnten sich gleich mehrere Kabinettsmitglieder opulente Dienstwagen auf Kosten des Steuerzahlers. Einer schockierten Öffentlichkeit gegenüber rechtfertigten sie sich damit, nichts Illegales getan zu haben. Einer der Betroffenen, der Minister für Höhere Bildung, Blade Nzimande, ist pikanterweise Generalsekretär der Kommunistischen Partei SACP. "Es scheint, dass für die Führer der Arbeiterklasse nur das Beste gut genug ist", kommentierte die Opposition Nzimandes BMW höhnisch.
Hinter Vorkommnissen dieser Art steht eine Mentalität, die sich im neuen Südafrika quer durch alle politischen Institutionen zieht. Sie ist eine Mischung aus Anspruchsdenken, Materialismus und der Überzeugung, dass erlaubt ist, was niemand ausdrücklich verboten hat. Was zählt, ist der Besitz eines Mercedes, BMW oder Land Rover. Negative Konsequenzen waren bisher kaum zu befürchten. So wurde Maßhalten, Bescheidenheit und ethischer Anspruch vielerorts zum Zeichen für mangelnde Cleverness und fehlenden Karrieretrieb.
Das könnte sich ändern. Wohnungsminister Tokyo Sexwale, ein verdienter ANC-Kader mit stattlichem Privatvermögen, nutzte den Medientumult, um Zeichen zu setzen. Er fliege ab jetzt im Dienst nur noch Economy Class und habe seine Beamten angewiesen, das gleiche zu tun. In Südafrika ist das ein fast schon unerhörter Vorgang.
Haben wir es hier mit einem PR-Erfolg zu tun oder dem Beginn eines Paradigmenwechsels? Einiges spricht für Letzteres. Wie kein anderer Präsident vor ihm ist Zuma auf Glaubwürdigkeit angewiesen, gerade in Fragen von Korruption und Machtmissbrauch. Skandale können das Vertrauen in seine Regierung und damit den ANC nachhaltig zerstören. Er weiß das und setzt richtige Signale, wenn auch zuweilen zögerlich. Dem positiven Medienecho auf Sexwales Ankündigung folgend könnte sich aber in politischen Kreisen die Erkenntnis durchsetzen, dass Maßhalten in Machtpositionen durchaus in politisches Kapital umgemünzt werden kann. Das würde der Gesellschaft gut tun - und ihr langfristig vielleicht ein paar der Werte zurückgeben, für die Mandela sein Leben lang stand.
Die Autorin ist freie Korrespondentin in Südafrika und Mitglied bei "Weltreporter".