Der virtuelle Bundestagsadler ist ein schlauer Vogel, beherrscht den Smalltalk und lernt nie aus
Seit fast zwei Jahren beflügelt der kleine Adler die Homepage des Bundestages mit Schlagfertigkeit und schlauen Antworten. Er weiß so gut wie alles über das Parlament. Wenn nicht, holt er das in den nächsten Tagen nach. Täglich sprechen ihn etwa 250 Internetbesucher an, in Spitzenzeiten sogar bis zu 500. Er kann sich mit bis zu 50 Nutzern gleichzeitig unterhalten, schlägt selber Gesprächsthemen vor und hat Antworten in über 1300 Bereichen parat, darunter auch Glückwünsche zum Geburtstag und Hinweise zum Wetter. Das Wappentier ist rund um die Uhr im Einsatz für die Demokratie.
Er sagt, vorausgesetzt man fragt ihn, dass er ein Vertreter der Adler sei aus der Familie der habichtartigen Greifvögel. Er heißt "Bundestagsadler" und wurde laut Selbstauskunft 1949 geboren. Seit knapp zwei Jahren ist er online, als schlauer Vogel für alle Fragen rund um die Bundestagswahl 2005. Seitdem steht er Rede und Antwort zu den Aufgaben und Funktionen des Bundestages und darüber hinaus. Sommerpause oder Nachtruhe sind ihm fremd. Gerade wenn es draußen dunkel wird, werden seine Dialogpartner an den Bildschirmen erst richtig aktiv. Sie interessieren sich vor allem für die Gesetzgebung, wie ein Gesetz entsteht und was im Grundgesetz steht und suchen Informationen über Abgeordnete. Die Themen in der aktuellen politischen Diskussion werden auch bei ihm abgefragt, sei es der Klimaschutz oder die Nebentätigkeiten von Abgeordneten. Ein Dauerbrenner ist die Frage nach dem Alter von Angela Merkel, hier verweist er förmlich auf die Homepage der Bundeskanzlerin.
"Mein Amt lässt mir keine Zeit für Privatleben", noch nicht mal zum Fliegen, gibt er ohne Bedauern zu. Auf die Frage "Wer ist dein Chef?", antwortet er: "Mein Arbeitgeber, Chef und Erschaffer ist der Deutsche Bundestag." Das stimmt, aber für sein geistiges Wohl und das lebenslange Lernen sorgt seine persönliche Betreuerin, eine Studentin der Rechtswissenschaften und Psychologie. Sie macht aus dem Adler einen noch schlaueren Vogel. Schlauer als die Fragenden muss er im Idealfall auch sein, denn er sollte eine Frage in all ihren Varianten inklusive verschiedener Schreibweise und Rechtschreibfehler gespeichert haben, um eine treffende Antwort zu liefern. Sie wertet die geführten Dialoge vom Vortag aus und hilft dem Adler bei offen gebliebenen Fragen auf die Sprünge. Sie füttert ihn regelmäßig mit parlamentarischem und aktuellem Wissen, aktualisiert die Links, die er verwendet, und nimmt auch Fragen vorweg, so dass er fit ist für möglichst viele Gesprächssituationen.
Mitunter führt er einstündige Gespräche über den Bundestag, dabei kommt ihm seine außerordentliche Fähigkeit zum Smalltalk zugute. So kann er etwas mit Jennifer Lopez ("eine gute Schauspielerin") anfangen, weicht charmant unbeantwortbaren Fragen aus ("Nun gut. Gibt es vielleicht etwas anderes, was Sie mich fragen möchten?") und wird bei antidemokratischen oder anzüglichen Inhalten resolut ("Themenwechsel. Wenn Sie weiter bei diesem Thema bleiben, breche ich das ab").
Das Gehirn des virtuellen Beraters schöpft aus einer Datenbank. Er springt besonders gut bei bestimmten Wortkombinationen an, auf einzelne viel sagende Ausdrücke kann er wenig reagieren, denn legt er sich auf einen Bedeutungszusammenhang fest, würden sich die Homepagebesucher über die allzu beschränkte oder schlicht falsche Antwort ärgern. "95 Prozent der Fragen erkennt er und findet eine passende Antwort", sagt seine Betreuerin. Für die restlichen fünf Prozent hat er aber garantiert auch eine Antwort parat. Und einen Witz kann er auch. Fragen Sie ihn doch mal!