Letzte Sitzungswoche im Bundestag: Rückblick auf Debatten und neue Gesetzesbeschlüsse
In der Sitzungswoche vom 13. bis 14. Juni 2007 hat sich die Mehrheit der Abgeordneten für neue Regelungen im Aufenthalts- und Asylrecht ausgesprochen. Außerdem votierten sie für die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes im sudanesischen Darfur. Das Parlament stimmte zudem für eine SED-Opferentschädigung und ein zweites Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemmnisse.
Die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen können online abgerufen werden.
Zu Beginn der Plenarsitzung am Donnerstag gab Bundeskanzlerin Angela Merkel im Plenum eine Regierungserklärung zum Europäischen Rat ab. Dabei warnte sie vor einem Scheitern des EU-Gipfels. Beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am 21. und 22. Juni in Brüssel gebe es eine "Chance" auf einen Verfassungs-Fahrplan, sagte Merkel. Gelinge dies nicht, sei das noch nicht der Untergang Europas, so die Kanzlerin. Dennoch hätte ein Scheitern "kaum zu beschreibende schwerwiegende Folgen für Europa".
Ziel sei es, einen "Reformvertrag in Gestalt eines Änderungsvertrages" vorzulegen. Mit diesem Reformvertrag solle die Substanz des Verfassungsentwurfes erhalten werden, ohne "die Bürger zu überfordern". Verzichtet werden solle im neuen Vertrag unter anderem auf staatsähnliche Bezeichnungen und Symbole. Merkel zog insgesamt eine positive Bilanz der in gut zwei Wochen zu Ende gehenden EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands. In den zurückliegenden Monaten sei vieles erreicht worden. So gebe es geringere Gebühren beim grenzüberschreitenden Telefonieren mit Handys und mehr Verbraucherschutz für Kreditnehmer, die Wettbewerbsfähigkeit der EU sei gestärkt worden, die Euro-Zone dehne sich aus und das Schengen-Abkommen werde ausgeweitet.
Aufenthalts- und Asylrecht
Der Bundestag hat den Weg für die Reform des Ausländerrechts frei gemacht. In namentlicher Abstimmung stimmten in Berlin 398 Abgeordnete für den Gesetzentwurf ( 16/5065) der Bundesregierung, der auf fast 500 Seiten insgesamt elf EU-Richtlinien in deutsches Recht umsetzt. Dagegen stimmten 170 Parlamentarier; fünf enthielten sich (Ergebnislisten). Der Reform liegt ein Kompromiss der Großen Koalition zugrunde, mit dem langjährig geduldeten Ausländern durch Arbeitsaufnahme ein Bleiberecht ermöglicht und Zwangsheiraten eingedämmt werden sollen.
So verlieren nach einer "Altfallregelung" Ausländer, die vorläufig geduldet werden, ihr Bleiberecht, wenn sie bis 2009 keinen Arbeitsplatz finden und damit für sich selbst sorgen können. Daher ist für sie ein "uneingeschränkter Zugang" zum Arbeitsmarkt vorgesehen, aber keine höheren Sozialleistungen. Finden sie bis 2009 Arbeit, können sie eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis bekommen.
Der Nachzug von Ehepartnern soll nach dem Gesetzentwurf nur dann erlaubt sein, wenn die Partner mindestens 18 Jahre alt sind und sich "zumindest auf einfache Art" in deutscher Sprache verständigen können. Damit sollen Zwangsverheiratungen verhindert werden. Außerdem werden verpflichtende Integrationskurse eingeführt. Ausländer seien "gefordert, eigene Anstrengungen zu ihrer Integration zu leisten" und die Werteordnung des Grundgesetzes "verbindlich anzuerkennen". Ausländern, die sich den Integrationskursen verweigern, sollen die Sozialleistungen gekürzt werden. Bei der Visavergabe sollen Ausländer- und Sicherheitsbehörden künftig enger zusammenarbeiten. Der Bundesrat muss dem Gesetzentwurf noch zustimmen.
Bundeswehreinsatz in Darfur/Sudan
Für die Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte in der Region Darfur im Sudan sprach sich eine qualifizierte Mehrheit von 506 Abgeordneten aus. 40 waren dagegen, 18 enthielten sich (Ergebnisliste). Die Bundeswehrsoldaten unterstützen die Mission AMIS der Afrikanischen Union (AU). Der Auftrag der AMIS besteht in der Überwachung des Waffenstillstandes in Darfur, der am 25. April 2004 in N'Djamena, Tschad vereinbart wurde von der Regierung in Khartum, der Sudanesischen Befreiungsbewegung (SLA) und der Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit (JEM). Daneben soll der Schutz der Zivilbevölkerung und die Sicherung der Hilfsmissionen der UN gewährleistet werden.
Mindestlöhne
Die Mehrheit der SPD-Abgeordneten hat den Antrag der Linksfraktion zum gesetzlichen Mindestlohn abgelehnt. Insgesamt stimmten 100 Abgeordnete für den Antrag, 431 votierten dagegen (Ergebnisliste). DIE LINKE. forderte eine flächendeckende Einführung von Mindestlöhnen ( 16/4845).
„Wer Vollzeit arbeitet, muss von seiner Arbeit auch menschenwürdig leben können", bekräftigte Klaus Brandner die Forderung der SPD nach Mindestlöhnen. Zwar sei die SPD für Wettbewerb, aber "zu fairen Bedingungen und nicht mit Dumpinglöhnen". Die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann kritisierte das Vorgehen der Linkspartei. Sie bekräftigte das Nein der Union zu gesetzlichen Mindestlöhnen, deutete aber Kompromissbereitschaft bei einer Ausweitung des Entsendegesetzes an.
Gegen Mindestlöhne wandte sich erneut die FDP. Diese verhinderten "die dringend erforderliche Lohnspreizung", schreiben die Abgeordneten in ihrem Antrag ( 16/4864).
Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer rief dazu auf, den Fraktionszwang im Bundestag zu diesem Thema aufzuheben. Dann werde sich zeigen, dass es im Parlament eine Mehrheit für einen gesetzlichen Mindestlohn gebe. Die Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN hat ein Mindestlohnkonzept für solche Branchen vorgelegt, "in denen eigene Tarifstrukturen nicht vorhanden oder nicht ausreichend sind" ( 16/5102).
Mittwoch: SED-Opferentschädigung beschlossen
Am Mittwoch, dem 13. Juni 2007, debattierten die Abgeordneten auf Forderung der Fraktion DIE LINKE. in einer Aktuellen Stunde über "Drohende Altersarmut in Deutschland aufgrund des zu geringen Rentenniveaus“. Anschließend stimmten die Abgeordneten einem Gesetz zu, das die rehabilitierungsrechtlichen Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR verbessern soll ( 16/4842, 16/5532). Das Gesetz sieht eine Opferrente für ehemalige politische Häftlinge der SED-Diktatur vor. Danach sollen Menschen, die in der DDR aus politischen Gründen mindestens sechs Monate in Haft waren, und wirtschaftlich bedürftig sind, eine Zahlung von 250 Euro monatlich bekommen. Das Gesetz muss voraussichtlich am 6. Juli noch die Zustimmung des Bundesrates finden.
Bürokratieabbau
Ferner wurde dem zweiten Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemmnisse mehrheitlich zugestimmt ( 16/4764). Dies betrifft insbesondere die mittelständische Wirtschaft. In zahlreichen Rechtsgebieten sollen unnötige Vorschriften abgeschafft werden. Im Gesetzentwurf der Regierung heißt es, die Wirtschaft könne mit Einsparungen von 58,8 Millionen Euro rechnen. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen.
Bundeswehreinsatz in Afghanistan
Anschließend wurden Anträge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. zum Afghanistaneinsatz der Bundeswehr beraten. Die Grünen forderten, das Nebeneinander von ISAF und OEF in Afghanistan zu beenden. DIE LINKE. rief den Bundestag dazu auf, die Genehmigung zum Einsatz des "Kommandos Spezialkräfte" (KSK) zu widerrufen. In ihrem Antrag ( 16/4674) führt sie zur Begründung an, das KSK sei ausdrücklich für Kampfeinsätze und verdeckte Operationen ausgebildet und vorgesehen. Mit der Entscheidung, den KSK-Einsatz zu beenden, könnte das Parlament ein Zeichen setzen, dass sich Deutschland aus verdeckten Kriegshandlungen herauslösen will.
Dopingbekämpfung
Der Kampf gegen Doping im Sport soll besser organisiert und intensiver werden. Dies fordert die FDP in einem Antrag ( 16/4738). Im Bereich der Dopinganalytik und -kontrolle sollen geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Erkenntnisse im Bereich von Gen-Doping und Blut-Doping zu erweitern. Die Liberalen forderten auch einen Athletenpass, um langfristige körperliche Entwicklungen beobachten und nachvollziehen zu können.