Kunst-am-Bau im Deutschen Bundestag
Der Deutsche Bundestag ist Kunstsammler, Mäzen und Ausstellungsmacher zugleich und mit seinem Kunstkonzept wohl einmalig in der Welt. Mit seinem Umzug nach Berlin wurden viele künstlerische Ideen entwickelt und umgesetzt - nicht immer waren sie unumstritten.
Die Kunst ist frei. Die Väter des Grundgesetzes haben es so festgeschrieben, und der Staat nimmt sich selber in die Pflicht, indem er das Grundrecht auf Freiheit in Artikel 5 würdigt und sich der Förderung von Kunst und Kultur widmet. Der Deutsche Bundestag ist spätestens seit seinem Umzug nach Berlin auch für Kunstfreunde ein Begriff geworden. Als Glücksfall erwies sich dabei eine Regelung, wonach ein bestimmter Prozentsatz der Bausumme von öffentlichen Gebäuden der Kunst gewidmet werden muss. Für die neuen Parlamentsbauten im Spreebogen stellte der Bundestag 2 Prozent, für das Reichstagsgebäude sogar 3 Prozent der anrechenbaren Bausummen für Kunst zur Verfügung.
Kunstkonzept auf Architektur abgestimmt
Unter Vorsitz der damaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth entwickelte der Kunstbeirat des Bundestages gerade für das Reichstagsgebäude ein Kunstkonzept, das auf die Architektur abgestimmt ist und die wechselvolle deutsche Geschichte aufgreift, für die das symbolträchtige Gebäude steht. Dass auch durchaus umstrittene künstlerische Ideen verwirklicht wurden, liegt in der Natur der Freiheit der Kunst. Kunst ist nicht gefällig. Und wenn sich Politik von der Muse küssen lässt, kann das Spannungen erzeugen. So hat die Installation "Der Bevölkerung" von Hans Haacke eine der heftigsten Kontroversen um Kunst der Nachkriegszeit entfacht. Mit knapper Mehrheit setzten sich im Bundestag die Befürworter der Installation Haackes durch. Im nördlichen Lichthof des Reichstages liegt sein großes Beet mit Erde aus den Wahlkreisen der Abgeordneten, die von jedem einzelnen persönlich mitgebracht wurde. Grünes wuchert nun um und zwischen den Buchstaben des umstrittenen Schriftzugs.
Identitätsstiftende Funktion
Kunst hat im Bundestag keine dekorative Funktion. Hier, im Forum der Nation kommt ihr Charakterzug, identitätsstiftend zu sein, zum Tragen. Der Kurator der parlamentarischen Kunstsammlung, Andreas Kaernbach, hält zeitgenössische Kunst im Arbeits- und Lebensalltag eines Parlamentes für unabdingbar, sie schaffe ein "geistiges Reizklima". Volksvertreter und Kunstschaffende gehen einen nicht immer reibungslosen Dialog ein.
Eigene Ausstellungshalle
Durch die Kunst öffnet sich das Parlament auch seinen Besuchern auf ganz neue Weise: Im September 2005 wurde der Kunst-Raum eröffnet. Damit hat der Bundestag eine eigene Ausstellungshalle, einen ständig für die Öffentlichkeit zugänglichen Ort, an dem sich Politik auf Kunst einlässt (und umgekehrt). Der Bundestag ist zum Akteur im quirligen, kulturellen Leben Berlins geworden. Im Kunst-Raum können Teile der Kunstsammlung oder Werke mit parlamentarischen Bezug ausgestellt werden. Inzwischen fragen auch andere Ausstellungsmacher nach Leihgaben. 1969 begann der Bundestag mit seiner Sammlung, sie umfasst inzwischen etwa 4.000 Kunstwerke von deutschen Künstlern oder solchen, die in Deutschland arbeiten. Dieses Auswahlkriterium betrifft aber nicht die Kunst-am-Bau-Werke. Die Nationalität der Künstler spielte lediglich beim Kunstkonzept des Reichstagsgebäudes eine Rolle, denn hier sollten auch Künstler der ehemaligen vier alliierten Staaten vertreten sein.
Kunstbeirat entscheidet über Ankäufe
Der Kunstbeirat aus insgesamt neun Abgeordneten aller Fraktionen unter Vorsitz des Bundestagspräsidenten berät und entscheidet darüber, welche Werke zeitgenössischer Künstler der Bundestag für seine Kunstsammlung ankauft. Dafür stehen dem Kunstbeirat jährlich 175.000 Euro zur Verfügung, eine Summe, mit der man auf dem Kunstmarkt gewiss keine Großeinkäufe machen kann. Kurator Kaernbach, der im Kunstbeirat keine Stimme hat, aber Vorschläge macht und berät, geht deshalb mit seinem Ansatz "möglichst kostengünstig" auf die Suche. Nach dem Motto Kunst ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, liegt der Fokus auf Werken jüngerer Künstler und auf Grafiken.
Der Grundsatz der Künstlerförderung, für die öffentliche Mittel verwendet werden, war bisher kein Anlass für Auseinandersetzungen, so Kaernbach. Eher schon die intensive Diskussion über ein Kunstwerk oder Künstler selber. Der 50-Jährige ist seit 1989 beim Bundestag, anfangs bei den Wissenschaftlichen Diensten, dann ergaben sich aus seiner Tätigkeit als Berater des Kunstbeirates die nächsten Aufgaben. Im Jahr 2000 wurde er Kurator der Kunstsammlung und leitet heute das Referat für Kunst im Bundestag. Persönliche Vorlieben für bestimmte Künstler oder Richtungen möchte er gar nicht erst pflegen, sondern sich "Offenheit bewahren und von solchen Festlegungen fernhalten", sagt Kaernbach. Neun Ausstellungen hat er bereits im Kunst-Raum realisiert.
Teil der Parlamentsbauten
Am Kunst-am-Bau-Programm des Bundestages waren insgesamt 111 Künstler beteiligt. Ihre Kunstwerke sind heute ein selbstverständlicher Teil der Parlamentsbauten und gehören zum Selbstverständnis des Bundestages. Berlin hat damit ein lebendiges Museum öffentlicher und Architektur bezogener Kunst, mit internationalen wie deutschen Künstlern, Prominenz und Nachwuchstalenten erhalten.
Kunst- und Architekturführungen
Der Besucherdienst bietet regelmäßig Kunst- und Architekturführungen durch das Reichstagsgebäude und die anderen Parlamentsbauten an. Anmelden kann man sich per Fax unter 030/227 30027 oder per Mail an besucherdienst@bundestag.de. Der Kunst-Raum im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Zutritt über die Spree-Promenade, ist dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist kostenlos, eine Voranmeldung ist nicht erforderlich. Informationen zu den jeweiligen Ausstellungen erhalten Sie zu den Öffnungszeiten des Kunst-Raumes unter 030/ 227 32027.