Bundestag beriet über Rentenanpassung 2008
Für rund 20 Millionen Rentner in Deutschland soll es noch in diesem Jahr mehr Geld geben, plant die Bundesregierung. Ihr Gesetzentwurf zur Rentenanpassung 2008, der am Donnerstag in erster Lesung im Bundestag beraten wurde, sieht vor, die Altersbezüge zum 1. Juli 2008 um 1,1 Prozent zu erhöhen. Im Jahr 2009 sollen die Renten noch einmal steigen, nach heutigen Modellrechnungen der Bundesregierung um rund zwei Prozent.
Der Antrag wurde im Anschluss an die einstündige Debatte an
die zuständigen Fachausschüsse überwiesen.
Die Erhöhung soll fast doppelt so hoch ausfallen wie
vorgesehen. Nach geltender Rechtslage wäre in diesem Jahr nur
eine Anpassung um 0,46 Prozent möglich gewesen. Der Grund sind
die im vergangenen Jahr mit 1,4 Prozent nur mäßig
gestiegenen Brutto-Löhne. Da die Altersbezüge nach der so
genannten Rentenanpassungsformel jährlich an die Entwicklung
der Löhne und Gehälter angepasst werden, hätten
entsprechend der Lohnentwicklung auch die Renten nur
mäßig steigen können. Doch 0,46 Prozent seien "zu
gering, um auch die Rentner angemessen am Wirtschaftsaufschwung zu
beteiligen", so die Begründung der Bundesregierung für
ihre jetzige Gesetzesinitiative.
Für die Rentenerhöhung ist eine Änderung der geltenden Rentengesetze notwendig. Die Bundesregierung plant daher, mit ihrem nun vorliegenden Gesetzentwurf den "Riester-Faktor" (auch "Riester-Treppe" genannt) für zwei Jahre auszusetzen. Dadurch betrüge die geplante Rentenanpassung zur Jahresmitte 0,64 Prozentpunkte mehr als erwartet. Für das kommende Jahr ergäbe sich eine um 0,63 Prozentpunkte höhere Angleichung der Altersbezüge.
Olaf Scholz, Bundesminister für Arbeit und Soziales,
bezeichnete diese Entscheidung am Morgen im Bundestag als Ausdruck
einer „vernünftigen, stabilen und verantwortungsvollen
Politik“, da man so gleichzeitig die Rentner entlaste, aber
auch für stabile Beiträge der „jungen Generation
sorge“. Mit der Aussetzung des „Riester-Faktors“
für zwei Jahre habe man beide Generationen im Blick, sagte
Scholz. „Wir sind prinzipienfest, aber eben keine
Prinzipienreiter“.
Das wiederum bezweifelte der FDP-Abgeordnete Heinrich Kolb. Die Anpassung der Altersbezüge sei „eine Beleidigung der Rentner“. Sie sei zu gering und ein allzu offensichtliches „Wahlgeschenk“.
Auch Volker Schneider, Mitglied der Fraktion DIE LINKE., kritisierte den Gesetzentwurf der Bundesregierung scharf: „Das ist das erste Wahlgeschenk mit eingebauter Rückgabeverpflichtung,“ sagte er. Rechne man die erhöhten Beiträge zur Pflegeversicherung oder die gestiegene Inflationsrate mit ein, so hätten die Rentner am Ende „trotz der Rentenerhöhung de facto fünf Prozent weniger in der Tasche“.
Ralf Brauksiepe (CDU) verteidige die Rentenpläne der Regierungskoalition. Dass die Altersbezüge nicht ebenso ansteigen könnten wie die Löhne, läge am demographischen Wandel. Dennoch wollte die Regierung die Rentner am Wirtschaftsaufschwung beteiligen. „Wir schütten zwar nicht das Füllhorn aus, aber wir tun, was wir können“, betonte Brauksiepe.
Fritz Kuhn, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/ Die GRÜNEN, sprach sich zwar für die Notwendigkeit einer Rentenerhöhung aus, kritisierte jedoch die Art des Eingriffs in die Rentenanpassungsformel als „willkürlich“. Die Bundesregierung habe einen Fehler mit der Mehrwertsteuererhöhung begangen, diesen über die Rente wieder zu korrigieren sei falsch. Mit der kurzzeitigen Aussetzung des Riester-Faktors schaffe man letztlich nur „ordnungspolitisches Chaos“, sagte Kuhn.Mit dem "Riester-Faktor" bezeichnet man die Berücksichtigung des Altersvorsorgeanteils in der Rentenanpassungsformel. Erwerbstätige müssen privat sparen, um das sinkende Rentenniveau auszugleichen. Weil das die Erwerbstätigen belastet, müssen auch die Rentner Einschnitte hinnehmen. Jede Rentenerhöhung, die sie erhalten, wird daher durch den Riester-Faktor um 0,6 Prozentpunkte vermindert. Mit dem aktuellen Gesetzentwurf plant die Bundesregierung für zwei Jahre die Einstellung des Riester-Faktors. Damit werden die Renten deutlicher erhöht, als eigentlich vorgesehen.
Die durch die vorgesehene Rentenanpassung nicht vollzogenen
Stufen der Rentendämpfung sollen in den Jahren 2012 und 2013
ausgeglichen werden, um die "langfristige finanzielle
Stabilität der Rentenversicherung" zu wahren, heißt es
in der Gesetzesvorlage.
Infolge der Rentenanpassung rechnet die Bundesregierung mit "kurzfristigen Mehrkosten für die Rentenversicherung", die aber langfristig im System selbst ausgeglichen würden. Eine Erhöhung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung, der derzeit 19,9 Prozent beträgt, sieht der Gesetzentwurf deshalb nicht vor. Allerdings können die Beiträge weniger schnell sinken, als geplant: Nach bisherigem Recht war für 2011 eine Beitragssatzsenkung vorgesehen. Diese soll nun auf 2012 verschoben werden. Der Beitragssatz wird dann auf 19,5 Prozent sinken. 2013 soll er, wie ursprünglich geplant, 19,1 Prozent erreichen.