Vertrag von Lissabon soll am 1. Januar 2009 in Kraft treten
Der Bundestag hat dem Ratifizierungsgesetz zum Vertrag von Lissabon mit mehr als zwei Dritteln der Stimmen zugestimmt. 515 Abgeordnete stimmten mit Ja, 58 mit Nein. Es gab eine Enthaltung.
Am 23. Mai muss noch der Bundesrat über den Vertrag
entscheiden. Eine Mehrheit gilt auch dort als sicher.
Zum Thema gab es am Donnerstag von 16 bis 17 Uhr einen Live-Chat auf www.bundestag.de mit den Abgeordneten Thomas Dörflinger (CDU/CSU) und Alexander Ulrich (DIE LINKE.). Transkript des Chats
Der Reformvertrag muss in allen Mitgliedstaaten der EU ratifiziert werden, bevor er wie geplant am 1. Januar 2009 in Kraft treten kann. Bisher haben 10 der 27 EU-Länder den Vertrag abschließend gebilligt.
In Deutschland ist hierfür die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates erforderlich. Das von der Bundesregierung vorgelegte Ratfizierungsgesetz ( 16/8300) wurde in namentlicher Abstimmung mit mehr als zwei Dritteln der Stimmen angenommen. Mindestens 408 Stimmen waren für eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.
Außerdem nahmen die Abgeordneten eine Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ( 16/8488) in namentlicher Abstimmung an. Das Gesetz nimmt die notwendigen Grundgesetzänderungen vor, um die erweiterten Rechte von Bundesrat und Bundestag zu gewährleisten. 519 Abgeordnete stimmten mit Ja, 8 mit Nein, 49 enthielten sich.
Von der Verfassungsänderung betroffen sind die Paragrafen 23 ,45 und 93. Artikel 45 definiert die künftigen Rechte des EU-Ausschusses des Bundestages näher. Artikel 93 setzt das Quorum für Normenkontrollanträge des Bundestages vor dem Bundesverfassungsgericht auf ein Viertel der Abgeordneten herab. Bisher musste mindestens ein Drittel der Abgeordneten einen solchen Antrag stellen.
Gemäß Artikel 23 sollen beide Parlamente künftig das Recht erhalten, eine so genannte Subsidiaritätsklage zu erheben, wenn sie einen Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip feststellen. Auch soll ein Viertel der Abgeordneten künftig ausreichen, um vor dem Europäischen Gerichtshof eine Subsidaritätsklage erheben zu können. Bisher konnte nur die Bundesregierung eine solche Klage einreichen.
Das Subsidiaritätsprinzip bedeutet, dass die EU nur dann
handeln darf, wenn Ziele und Maßnahmen von den
Mitgliedstaaten selbst nicht ausreichend verwirklicht werden
können - weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler
Ebene. So steht es im Vertrag von Lissabon.
Die Abgeordneten stimmten einem weiteren, fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ( 16/8489) zu. Damit wird bestimmt, wie Bundestag und Bundesrat die zusätzlichen Mitwirkungsrechte, die ihnen der Vertrag von Lissabon einräumt, in Zukunft tatsächlich wahrnehmen können. Dabei geht es insbesondere um die Subsidiaritätskontrolle und institutionelle Entscheidungen.
Das bereits im November 2005 beschlossene, aber mit Ausnahme
eines Artikels nie in Kraft getretene "Gesetz über die
Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des
Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union" soll
dafür erneut verabschiedet werden - technisch angepasst an die
Bestimmungen im Vertrag von Lissabon.
Abgelehnt wurde in namentlicher Abstimmung mehrheitlich der
Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE (
16/7375). 515 Parlamentarier stimmten dagegen,
4 enthielten sich, 53 plädierten für den Entwurf. Die
Fraktion hatte gefordert, bei Änderungen von EU-Verträgen
künftig Volksentscheide durchzuführen. In einem Antrag
verlangte sie (
16/7446), den Reformvertrag in allen
europäischen Amtssprachen anzufertigen und den Bürgern in
gedruckter sowie in elektronischer Form zugänglich zu machen.
Auch der Antrag wurde abgelehnt.
Der Vertrag von Lissabon wurde am 18. und 19. Oktober 2007 in Brüssel verhandelt und am 13. Dezember 2007 von den Staats- und Regierungschefs unterzeichnet. Sein Ziel ist es, die Europäische Union transparenter und handlungsfähiger zu gestalten und auf eine neue, einheitliche Rechtsgrundlage zu stellen. Er enthält essentielle Neuerungen, wie Regelungen zur Subsidiarität, zur Kompetenzordnung und zur Bürgerbeteiligung. Institutionelle Änderungen gibt es insbesondere bei den Entscheidungsverfahren und bei der außenpolitischen Vertretung der Europäischen Union.
Vorgesehen ist, die Europäische Kommission zu verkleinern
und den Anwendungsbereich der qualifizierten Mehrheit auszuweiten.
Abstimmungen sollen einfacher und effektiver werden. Zudem soll die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ausgebaut und
die EU in Zukunft von einem "Hohen Vertreter der Union für
Außen- und Sicherheitspolitik" international vertreten
werden. Das Europäische Parlament erfährt eine
Aufwertung: Es soll neben dem Rat gleichberechtigter Mitgesetzgeber
und Teil der Haushaltsbehörde werden.