Studioproduktion des Parlamentsfernsehens
Insgesamt 53 Parlamentariergruppen und ein Freundeskreis pflegen weltweit die Beziehungen des Bundestages zu den Parlamenten anderer Staaten, darunter auch die Deutsch-Chinesische Parlamentariergruppe. Im Parlamentsfernsehen berichteten ihr Vorsitzender Johannes Pflug (SPD) sowie die Mitglieder Gudrun Kopp (FDP) und Ilja Seifert (DIE LINKE.) am 28. April 2008 über die Arbeit der Gruppe, ihre Ziele und Erfahrungen.
Das Gespräch können Sie ab sofort als Video-on-Demand
auf dieser Seite abrufen.
Unruhen in Tibet, Diskussionen um einen Boykott der Olympischen
Spiele in Peking und ein Fackellauf, der weltweit von Protesten
begleitet wird: China und seine Menschenrechtspolitik stehen
derzeit im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung, erregen
die Gemüter von Bürgern wie Politikern. Angesichts einer
so erregten Stimmung ist es gut, dass es Menschen gibt, die China
kennen und stabile Kontakte zu dortigen Politikern und Diplomaten
pflegen: So wie die 82 Mitglieder der Deutsch-Chinesischen
Parlamentariergruppe des Bundestages. Ihre Verbindungen tragen seit
20 Jahren dazu bei, dass zwischenstaatliche Beziehungen selbst in
außenpolitischen Krisenzeiten nicht abreißen.
Es sind die informellen Kontakte, die zählen. Das hat
Johannes Pflug, Abgeordneter der SPD im Bundestag, schon oft
erlebt. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel im Dezember des
vergangenen Jahres den Dalai Lama im Bundeskanzleramt empfangen
hatte und daraufhin die chinesische Regierung empört
diplomatischen Treffen absagte, suchte er als Vorsitzender der
Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe mit dem chinesischen
Botschafter in Deutschland das Gespräch. Bald war klar, dass
trotz der Irritationen auf höchster Ebene die Verbindung
keinen Schaden genommen hatte. "Oft erfährt man so mehr
über Hintergründe einer Reaktion als durch offizielle
Aussagen oder Medienberichte“, sagt Pflug, der seit zehn
Jahren Mitglied der Parlamentariergruppe ist und seit drei Jahren
zum fünfköpfigen, paritätisch nach Fraktionen
besetzten Vorstand gehört.
Im Vertrauen wechselt man leichter offene Worte: "Wir sprechen
selbstverständlich mit unseren chinesischen
Gesprächpartnern über die Lage der Menschenrechte oder
die Situation in Tibet", betont SPD-Politiker Pflug. Die
Parlamentarier hätten hier auch besondere Möglichkeiten,
bekräftigt sein Kollege Hans-Josef Fell von BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: "Wir können selbst gegenüber
hochrangigen Parteimitgliedern des Nationalen Volkskongresses
Probleme sehr viel deutlicher ansprechen als Mitglieder der
Bundesregierung", ist der Abgeordnete überzeugt. Er ist seit
2002 Vorstandsmitglied der Deutsch-Chinesischen
Parlamentariergruppe.
Die stille Diplomatie ist manchmal wirkungsvoller, als das
öffentliche Anprangern von Missständen: Ulrich Irmer,
früherer FDP-Bundestagsabgeordneter und langjähriges
Mitglied der Parlamentariergruppe für die Beziehungen zu den
Staaten West- und Zentralafrikas, berichtete einmal, "der Hinweis"
eines Haushaltsausschuss-Mitglieds auf das mögliche "Versiegen
der Entwicklungshilfe" habe binnen von zwei Wochen "30
Oppositionelle aus dem Knast" geholt. Ähnliches hofft auch die
Deutsch-Chinesische Parlamentariergruppe zu schaffen, die sich
für einen inhaftierten chinesischen Umweltaktivisten einsetzt.
Obwohl dieses Engagement bislang nicht erfolgreich war,
schätzt Johannes Pflug auch die kleinen Schritte der
Annäherung: Einmal zeigte ihm bei einer internationalen
Konferenz der chinesische Delegierte sein Redemanuskript und sagte:
'Schau, ich spreche auch den Sudan an.' "Das hat mich richtig
gefreut“, erzählt Pflug. "Ich hatte schon oft mit ihm
über die Darfur-Politik der Regierung gesprochen und ihn
ermutigt, die Rolle, die sein Land als größter Investor
im Sudan spielt, auch zu thematisieren.“
Seit Gründung der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe
1978 hat der Menschenrechtsdialog stets eine große Rolle bei
den wechselseitigen Besuchen gespielt. Themen wie erneuerbare
Energien, Umwelt- und Klimaschutz sind in den letzten Jahren neu
dazugekommen. Das Knüpfen wirtschaftlicher Kontakte ist ein
weiteres Ziel der Zusammenkünfte. In der Regel einmal
jährlich reist eine Delegation der deutschen
Parlamentariergruppe nach China, einmal pro Jahr bekommt sie
Gegenbesuch. In der Zwischenzeit organisieren oder besuchen die
Parlamentarier viele Veranstaltungen zu politischen oder
wirtschaftlichen Themen, wo sie mit chinesischen Politikern oder
Diplomaten, aber immer öfter auch mit deutschen und
chinesischen Firmenvertretern zusammentreffen. Die
Parlamentariergruppe versteht sich hier durchaus als Vermittler:
"Gerade den kleinen oder mittelständischen Unternehmen wollen
wir helfen, mit chinesischen Geschäftsleuten in Verbindung zu
kommen“, erklärt Johannes Pflug. "Die haben
schließlich nicht die Möglichkeit, die Bundeskanzlerin
auf einer China-Reise zu begleiten wie die großen
Konzerne.“
20 Jahre Dialog zwischen chinesischen und deutschen Parlamentariern haben Früchte getragen: "Die Kontakt ist heute viel enger“, findet Pflug. Dazu hätten natürlich moderne Kommunikationsmittel wie E-Mail beigetragen. Aber die Chinesen hätten sich auch verändert. Nicht nur dass die meisten Politiker und Diplomaten heute ein exzellentes Englisch sprächen, sie verhielten sich auch viel offener: "Heute klopft einem schon mal ein Chinese auf die Schulter. So eine Geste wäre früher undenkbar gewesen“, erzählt Johannes Pflug. "Die Chinesen sind heute selbstbewusster - aber ohne dabei überheblich zu sein.“