Mehrheit für Teilprivatisierung des Unternehmens
Noch in diesem Jahr sollen private Investoren nach dem Willen
der Bundesregierung Anteile bei der Bahn erwerben können.
Einem entsprechenden Antrag der Koalitionsfraktionen stimmte der
Bundestag am Freitag in namentlicher Abstimmung zu. Die
Anträge der Opposition wurden abgelehnt.
Bund behält Aktienmehrheit
Die Bundesregierung möchte, dass private Investoren künftig Anteile an maximal 24,9 Prozent des Güter-, Fern- und Regionalverkehrs halten können. Der Bund soll jedoch die Aktienmehrheit im Mutterkonzern behalten. Auch Gleise, Bahnhöfe und Stellwerke sollen zunächst 15 Jahre im Eigentum des Bundes verbleiben. Auf keinen Fall werden private Investoren einen „unternehmensbestimmenden Einfluss auf den Kernbereich der Unternehmenspolitik der Deutschen Bahn AG erhalten“, heißt es im Koalitionsantrag ( 16/9070), den die Abgeordneten am Freitag beschlossen.
Große Erwartungen
Der Erlös aus der Privatisierung soll zu gleichen Teilen für die Aufstockung des Eigenkapitals der Bahn, für Investitionen in die Schienen und die Sanierung des Bundeshaushalts aufgewendet werden. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) erwartet eine Summe "in nennenswerter Milliardenhöhe". Schätzungen reichen von 5 bis 8 Milliarden Euro.
Der Verkehrsminister knüpfte auf einer Pressekonferenz im April 2008 in Berlin große Erwartungen an die Pläne: „Die Bürger werden die Vorteile dieser Teilprivatisierung bald spüren. Denn die Bahn kann mit dem frischen Kapital Bahnhöfe sanieren, Lärm reduzieren, Langsamfahrstellen abbauen, und damit Schnelligkeit, Pünktlichkeit und Service entscheidend verbessern.“
Die Opposition steht den Plänen kritisch gegenüber.
FDP: Erster Schritt in Richtung Vollprivatisierung
Für die FDP-Fraktion gehen die Pläne der Bundesregierung zwar in die richtige Richtung, doch reiche der jetzige Beschluss der Koalition nicht aus. Die FDP will eine "Vollprivatisierung der Verkehrssparten" (16/8774). „Die Deutsche Bahn AG als dauerhafter Staatskonzern ist für den Steuerzahler hochriskant“, heißt es in einem aktuellen Positionspapier der Fraktion.
Die FDP kritisiert auch, dass der Bundestag die Pläne lediglich mit seinem Beschluss unterstützen soll. Ein Gesetz zur Bahnprivatisierung ist nicht geplant. Angesichts der Vorgeschichte zur Bahnprivatisierung und der weitreichenden Bedeutung der Entscheidung sei es jedoch „unverzichtbar“, den Bundestag an den Beschlüssen zu beteiligen. Dem Parlament solle unverzüglich ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, so wie es in einem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vom 21. November 2006 (16/3493) auch ursprünglich vorgesehen gewesen sei.
Der Antrag der FDP wurde abgelehnt, wie auch der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, indem die Fraktion ebenfalls bemängelt hatte, dass das Parlament nicht genug einbezogen sei ( 16/8046).
Grüne: Trennung von Netz und Verkehr
Ein weiterer Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (16/9071) wurde in namentlicher Abstimmung abgelehnt. Darin hatte es die Fraktion als „grundsätzlichen Fehler“ gewertet, dass die Infrastruktur – etwa Netz und die Bahnhöfe - und der Transport - also der Personen- und Nahverkehr - eigentumsrechtlich nicht voneinander getrennt seien. Diese Trennung sei die Voraussetzung für echten Wettbewerb. Das Eigentum an der Infrastruktur sollte nach Ansicht der Grünen beim Bund verbleiben.
Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE. hat die 1993 beschlossene erste Stufe der Bahnreform auf Beschäftigtenzahl, Schienennetz, Servicequalität und Fahrpreise "deutlich negative Auswirkungen". Nun werde dieser Kurs durch den Verkauf von 24,9 Prozent des Bahnbetriebs an die Börse fortgesetzt. In ihrem Antrag (16/9306) fordert die Fraktion daher den Stopp des Vorhabens und eine Neuausrichtung der zukünftigen Bahnpolitik in Deutschland. Der Antrag wurde an den Verkehrsausschuss überwiesen.
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