Teil 1: Die Namensgeber der Bundestagshäuser
Im Januar 2002 erfolgte die Schlüsselübergabe für das Jakob-Kaiser-Haus, einem der drei Parlamentsneubauten in Berlin. Es steht dort, wo einst die Mauer die Stadt teilte. Benannt ist es nach dem Parlamentarier Jakob Kaiser, der im Widerstand gegen die Nazis kämpfte und sich als Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen für ein vereintes Deutschland stark machte.
Kaiser wurde am 8. Februar 1888 in der unterfränkischen Kleinstadt Hammelburg geboren. Er arbeitete als Buchbinder in Nürnberg und schloss sich früh der Christlichen Gewerkschaftsbewegung (CGD) an. 1924 wurde er Landesgeschäftsführer der CGDfür das Rheinland und Westfalen, 1912 trat er in die Zentrumspartei ein.
Der christliche Gewerkschaftsführer war zugleich ein großer Verfechter des Parlamentarismus: In den Krisenjahren der Weimarer Republik setzte sich Jakob Kaiser konsequent für den Erhalt des Parlamentarismus ein. Am 5. März 1933 wurde er zum Reichstagsabgeordneten gewählt.
Schon 1934 schloss sich Jakob Kaiser der Widerstandsbewegung gegen die nationalsozialistischen Machthaber an und arbeitete eng mit Wilhelm Leuschner und Max Habermann zusammen, die zum engeren Kreis des deutschen Widerstandes vom 20. Juli 1944 gehörten. Wegen des „dringenden Verdachts hochverräterischer Betätigung“ wurde Jakob Kaiser 1938 für mehrere Monate von der Gestapo inhaftiert. We
Nach dem gescheiterten Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 schwappte eine Verhaftungswelle über das Land. Kaiser konnte ihr durch Flucht entgehen - er überlebte als Einziger aus dem engeren Kreis des gewerkschaftlichen Widerstands, musste aber monatelang – bis zum Ende des Nationalsozialismus – in einem Keller in Babelsberg bei Berlin ausharren. Seine Frau Therese und seine zweite Tochter Elisabeth kamen in Sippenhaft und wurden von den Nazis nach Buchenwald deportiert.
Nach Ende des Krieges beteiligte sich Kaiser maßgeblich am Aufbau der CDU in der sowjetischen Besatzungszone. Zusammen mit Ernst Lemmer übernahm er den Vorsitz der Partei. Außerdem war er Mitbegründer des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB). Versuchen der SED, die Ost-CDU gleichzuschalten, verweigerte er sich. Wegen seines Widerstandes gegen die “Blockpolitik“ und gegen die Teilnahme der Ost-CDU am 1. Deutschen Volkskongress enthob die sowjetische Militäradministration ihn und Lemmer 1947 des Amtes. Kaiser siedelte nach West-Berlin über.
Danach gehörte Jakob Kaiser dem Berliner Stadtparlament an. 1948/49 saß er als einer der Vertreter Berlins im Parlamentarischen Rat und war somit einer der Gründungsväter des Grundgesetzes. Im Mai 1949 übernahm Kaiser die Führung der Sozialausschüsse der CDU/CSU und zog im gleichen Jahr als Abgeordneter in den Deutschen Bundestag, dem er bis 1957 angehörte.
Unter Konrad Adenauer wurde Jakob Kaiser 1949 Minister für Gesamtdeutsche Fragen und setzte sich erfolgreich für die Rückgliederung des Saarlandes ein. Die von Adenauer verfolgte westorientierte Integrations- und Bündnispolitik vertrat er aber nur insoweit, wie sie das Hauptziel der deutschen Wiedervereinigung nicht blockierte. Schließlich war Kaiser auch Mitglied des 1954 gegründeten Kuratoriums „Unteilbares Deutschland“, einem überparteilichen Verein, der die Förderung der Wiedervereinigung als oberstes Ziel formulierte. Erster Vorsitzender des Kuratoriums war der SPD-Politiker Paul Löbe, nach dem ebenfalls ein Parlamentsgebäude im Regierungsviertel benannt ist.
Bei den Wahlen zum 3. Deutschen Bundestag im September 1957 verzichtete Kaiser aus gesundheitlichen Gründen auf eine erneute Kandidatur und die Leitung seines Ministeriums. Nach 1958 gab er auch alle anderen Ämter in Bonn auf und kehrte nach Berlin zurück.
Kaiser, der so leidenschaftlich für die Deutsche Einheit gekämpft hatte, erlebte den Mauerbau nicht mehr: Er starb am 7. Mai 1961, nur drei Monate bevor die Sektorengrenze nach West-Berlin hermetisch abgeriegelt wurde.
Heute steht, unweit des Brandenburger Tores, das Jakob-Kaiser-Haus als Symbol der Wiedervereinigung auf dem einst geteilten Boden.