Tag der Deutschen Einheit in Hamburg: Ein Familienbesuch beim Bundestag
Zum 18. Mal feierte Deutschland am 3. Oktober den Tag der Deutschen Einheit. Beim dreitägigen Bürgerfest in Hamburg war auch der Deutsche Bundestag wieder dabei. Bundestag.de hat eine Familie auf ihrer parlamentarischen Entdeckungstour begleitet.
In langen Bindfäden platscht der Regen auf das Kopfsteinpflaster des Kehrwieder Brook am Zollkanal. Inmitten der neugotischen roten Backsteinklinker der Speicherstadt feiert Hamburg den Tag der Deutschen Einheit - trotz Regen ein Fest in schwarz-rot-gold.
Mittendrin, zwischen bayrischer Blasmusik und schleswig-holsteinischen Shantys, eine vierköpfige Familie, besohlt mit quietschbunten Gummistiefeln, unter den Armen Regenschirme. „Wir Hamburger sind wetterfest“, lacht Reinhard Magnus. Zusammen mit seiner Frau Claudia, der fünfjährigen blondbezopften Jasmin und dem sieben Jahre alten Rotschopf Aurelius, ist er extra um sechs Uhr morgens aufgestanden, um bei der Einheitsfeier dabei zu sein. Jetzt wird der „Reichstag“ angesteuert.
Richtig gehört: Der Bundestag hat in Hamburg eigens eine Art mobiles Parlament im Gepäck. Rund 150 Gäste haben in seinem "Forum Plenarsaal" Platz. Wie echte Abgeordnete in Berlin können sie sich noch bis zum 5. Oktober als „Politiker“ in die fünf Fraktionsbereiche des Plenums setzen und den parlamentarischen Alltag für eine halbe Stunde hautnah miterleben.
Also raus aus der regengeschwängerten Luft, hinein in die gute Stube der Demokratie: Neugierig kraxelt Aurelius zwischen den Abgeordnetenbänken herum. Politik zum Anfassen. Das Konzept hat Erfolg: Vor genau einem Jahr, am Tag der deutschen Einheit in Schwerin, startete das Forum Plenarsaal mit 120 Sitzplätzen. Aufgrund des großen Interesses wurde jetzt angebaut. Drei weitere Reihen für die Abgeordneten kamen im Vergleich zu 2007 hinzu.
Das interaktive Rollenspiel über die Arbeit des Parlaments startet mit einem kurzen Film. Adenauer, Brandt, Schmidt. Eine Zeitreise durch die Jahrzehnte erinnert an die bedeutendsten Momente der parlamentarischen Demokratie Deutschlands. Unterschwellig spiegelt sich darin die persönliche Lebensgeschichte der Zuschauer. „Mit der Schule bin ich in Anfang der achtziger Jahre auch mal im Parlament gewesen“, flüstert Mutter Claudia (40) ihren Kindern zu. Dann flackern Bilder von Bundeskanzler Helmut Kohl, Mauerfall und Einheit über den Schirm. „Am Tag nach dem Mauerfall war ich in Kassel einkaufen“, erinnert sich Magnus. „Die Stadt hatte sich regelrecht verdreifacht - phantastisch.“
Plötzlich ertönt ein Gong. Die Sitzung beginnt. Ein „Abgeordneter“ bittet die versammelten Kollegen sich zu erheben. Der „Bundestagspräsident“, der zweite Mann im Staat, schreitet herein. Da kommt es auch schon zum ersten Ordnungsruf. „Wir bitten den verehrten Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion seine Kopfbedeckung abzunehmen.“ Etwas verschämt verschwindet das Baseball-Cap in den Händen des Familienvaters.
Die Ehre des Hohen Hauses ist wiederhergestellt, gemeinsam wird Platz genommen. Der „Bundestagspräsident“, die „Bundeskanzlerin“, der „Bundesratspräsident“ und ein „Abgeordneter“ erklären in spielerische Dialoge verpackt den nachgebauten Plenarsaal, beschreiben ihre Funktionen und erläutern den politischen Alltag: Wie entsteht ein Gesetz? Welche Aufgaben haben die Abgeordneten? Warum ist das Parlament oft nicht voll besetzt?
Die Glocke läutet, ein weiterer Ordnungsruf. Sohn Aurelius putzt sich mit den zuvor ausgeteilten Abstimmungskarten seine Gummistiefel sauber. Schallendes Gelächter. Der Zweitklässler grinst verschmitzt.
Schließlich kommen die Abstimmungskarten zu ihrem bestimmungsgemäßen Einsatz: Nach einer lebhaften Debatte, über ein Gesetz zur besseren Ernährung der Deutschen durch proteinhaltige Meerestiere, wird namentlich abgestimmt. Souverän schreitet Tochter Jasmin zur Tat und spricht sich für die „Esst mehr Fisch“-Initiative aus. Wohlwollend nickt der Papa. Als Meeresbiologe ist das Thema schließlich sein Spezialgebiet. Die originalgetreuen Repliken der Abstimmungskarten des Parlaments werden dankend als Souvenir eingesteckt.
Nach Ende des Rollenspiels, drängt es die Familie ins benachbarte „Kommunikationsforum“ des Bundestages. Ein weiteres Novum auf der diesjährigen Einheitsfeier. Die Kinder surfen dort an einem der aufgestellten Internetterminals: Die 360-Grad-Panorama-Führung durch den echten Reichstag hat sie in den Bann gezogen. Die Eltern messen ihr politisches Wissen in einem moderierten Quiz. Um ein Fotoband über das Parlament reicher, geht es wieder hinaus auf die Festmeile.
„So etwas sollte dauerhaft als Wanderausstellung durch die Republik ziehen“, sagt Reinhard Magnus begeistert. „Vor allem für Schulklassen ist das doch eine Pflichtveranstaltung.“ Eingedeckt mit Broschüren und Informations-CD-ROMs über die politische Arbeit des Parlaments zieht die frisch gebackene „Abgeordnetenfamilie“ weiter.