Bundestag erörterte Initiativen zum Thema Spätabtreibung
Frauen, die aufgrund einer möglichen Kindesbehinderung nach dem dritten Schwangerschaftsmonat vor der Frage einer Abtreibung stehen, sollen besser beraten werden. Am Donnerstag, dem 18. Dezember 2008, erörterte das Parlament fünf Vorschläge zur Reform des Schwangerschaftskonfliktgesetzes.
Johannes Singhammer (CDU/CSU) stellte den ersten Gruppenentwurf zur
Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (
16/11106) vor. Dieser solle Frauen
Unterstützung bieten, die sich in einer „existenziellen
Bedrohungslage“ befinden. Sie sollen aber nicht
zusätzlich belastet werden, deswegen gelte:
„Beratungsrecht für die schwangere Frau,
Beratungspflicht für den Arzt“.
Jeder Automatismus zwischen Diagnose und Schwangerschaftsabbruch
müsse vermieden werden, so Singhammer. Eltern sollten in
keinen Rechtfertigungszwang geraten, weil sie sich für ein
behindertes Kind entschieden haben. Darüber hinaus
Dreitägige Bedenkzeit
Der Singhammer-Entwurf sieht eine mindestens dreitägige Bedenkzeit nach der Diagnose vor. Von dieser Frist kann nur in Ausnahmefällen abgesehen werden – wenn Gefahr für Leib oder Leben der Schwangeren besteht. Außerdem soll die Bundesstatistik über Schwangerschaftsabbrüche präzisiert werden. Verstöße gegen die Beratungs- und Dokumentationspflicht des Arztes, gegen die Einhaltung der Frist sowie gegen die Pflicht zur Auskunftserteilung für die Bundesstatistik sollen als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 Euro geahndet werden.
Die Teilhabe für Menschen mit
Behinderung will ein weiterer Gruppenantrag sichern (
16/11342). Dieser wird von zahlreichen SPD- und
einem FDP-Abgeordneten getragen. „Keine Frau entscheidet sich
in dieser Situation leichtfertig für einen Abbruch“,
betonte Christel Humme (SPD). Sie warf Singhammer vor, sein
Vorschlag unterstelle dies den schwangeren Frauen und setze sie
unter Druck.
Untersuchungsmarathon
Bessere Beratung müsse jedoch viel früher ansetzen, noch bevor die Frauen in einen „Untersuchungsmarathon“ geraten, so Humme. „Damit geben wir den Frauen und ihren Partnern die notwendige Bedenkzeit, die wesentlich länger ist, als die von ihnen vorgeschriebene Dreitagesfrist.“
Zur Bewältigung von
Schwangerschaftskonflikten liegt dem Bundestag ein weiterer
Gruppenentwurf (
16/11347) vor. Er wird unter anderem von
Wolfgang Thierse (SPD) und Katrin Göring-Eckardt (Bündnis
90/Die Grünen) unterstützt. Der Entwurf sieht eine
„ergebnisoffene Beratung“ ohne statistische Erfassung
vor.
Kerstin Griese (SPD) sprach sich in der Debatte für den Ausbau von Fördermöglichkeiten für behinderte Kinder aus. Sie erhalte viele Zuschriften von Eltern, die über ein erfülltes Leben mit ihrem behinderten Kind berichten. Jedoch würden die Mütter und Väter manchmal auch darauf angesprochen, warum man dies in Anbetracht des technischen Fortschrittes nicht „verhindern“ konnte.
Die Liberale Ina Lenke stellte einen
Entwurf (
16/11330) vor, der zu zwei Dritteln von der FDP
getragen wird. Der Entwurf unterstützt die dreitätige
Bedenkfrist. Ziel müsse sein, so Lenke, die Zahl der
Schwangerschaftsabbrüche so gering wie möglich zu halten.
Frauen sollten aber auch ein "Recht auf Nichtwissen" haben und sich
gegen Untersuchungen entscheiden können wie auch dafür,
bestimmte Ergebnisse nicht zu erfahren.
Ärzte "unter Generalverdacht"
Schließlich wollen Abgeordnete der Linksfraktion mit einem Antrag das Recht schwangerer Frauen auf Information stärken ( 16/11377). Ebenso wie die anderen Vorschläge will dieser Antrag einen Rechtsanspruch auf umfassende medizinische und psychosoziale Beratung vor und nach dem Abbruch gewähren. Kirsten Tackmann (Die Linke) kritisierte den Entwurf Singhammers. Er stelle Ärzte „unter Generalverdacht“. Die gesellschaftliche Debatte um das Selbstbestimmungsrecht von Frauen sei nicht vorangekommen.