Bundesanwalt Dietrich sagte vor dem Untersuchungsausschuss aus
Hellmut Königshaus (FDP), Norman Paech (Linksfraktion) und
Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen)
kritisierten hingegen die Generalbundesanwaltschaft (GBA) und das
Bundeskriminalamt (BKA) scharf, weil trotz schwerwiegender
Verdachtsmomente nicht mit dem nötigen Nachdruck recherchiert
worden sei.
"Ermittlungsansätze nicht genutzt"
Auch CDU-Obfrau Kristina Köhler zeigte sich verwundert, dass trotz der politischen Brisanz dieses Falls naheliegende Ermittlungsansätze nicht genutzt worden seien. Auf Nachfrage von SPD-Obmann Michael Hartmann erklärte Dietrich, es habe keine politische Weisung gegeben, sich gegenüber der US-Armee zurückzuhalten.
Der Bundesanwalt erläuterte, Vernehmungen des
Anzeigenerstatters und von zwei Frauen, die mit Soldaten des
Gefängnisses in Kontakt standen, sowie offizielle
US-Stellungnahmen hätten keine Hinweise erbracht, dass der
eigentliche Belastungszeuge überhaupt existiert. Diesen Mann
habe der Anzeigenerstatter auch auf rund 150 Photos von
Angehörigen des Wachpersonals nicht erkannt.
"Weitere Recherchen nicht notwendig"
Aufgrund dieser Ermittlungen habe man weitere Recherchen nicht für notwendig erachtet, so Dietrich. Auf die von der US-Armee angebotene Besichtigung des Gefängnisgeländes habe man ebenfalls verzichtet, da zu diesem Zeitpunkt Spuren von Folter, so sie praktiziert worden sein sollte, ohnehin verwischt worden seien.
Die Oppositionsfraktionen und Köhler kritisierten jedoch, dass
die GBA und der ermittelnde BKA-Beamte Andrew Mielach weder
Mitglieder des Wachpersonals noch den Gefängnisleiter zu den
Misshandlungsvorwürfen und zu der eventuellen Existenz des
Belastungszeugen persönlich angehört hätten. Auch
sei nicht näher geprüft worden, ob sich dieser Mann
möglicherweise hinter einem von zwei US-Soldaten mit gleichem
Familiennamen, aber anderen Vornamen verbirgt.
"Leise Zweifel"
Mielach erklärte, er habe gegenüber der GBA vorgeschlagen, Gefängnispersonal zu befragen, doch sei dies abgelehnt worden. Im Laufe der Recherchen, so der BKA-Beamte, seien ihm „zumindest leise Zweifel“ gekommen, ob 2006 tatsächlich Folterungen stattgefunden haben, „doch will ich mich nicht abschließend festlegen“.
Für Kontroversen sorgte auch die von der GBA im Zuge der 2006
laufenden Ermittlungen getroffene Entscheidung, einen
mysteriösen Vorfall nicht näher zu untersuchen, der sich
mehrere Jahre zuvor nach der Wahrnehmung eines Mannheimer
Bürgers auf dem Gefängnisareal abgespielt haben soll. Der
Zeuge sagte vor dem Ausschuss, 2002 oder 2003 habe er dort an einem
Vormittag drei dunkelhäutige Männer in orangefarbenen
Overalls beobachtet, bei denen es sich nicht um US-Häftlinge
gehandelt habe.
"Das sah aus wie Guantanamo"
Die Betreffenden, von denen einer einen Vollbart getragen habe, seien an den Füßen extrem eng verkettet gewesen und von mit Gewehren bewaffneten Soldaten „auf entwürdigende Weise“ über das Gelände geführt worden: „Das sah aus wie in Guantanamo.“
Die GBA, so Dietrich, habe in diesem Verdachtsfall keinen Anlass
für Nachforschungen in ihrer Zuständigkeit erkennen
können. Selbst wenn ein Verstoß gegen das Truppenstatut
vorgelegen haben sollte, sehe er darin keine Straftat.
Die Farbe Orange
Diese Thesen stießen bei der Opposition auf entschiedenen Widerspruch, aus deren Sicht beim Verdacht auf Inhaftierung von Zivilisten in einem hiesigen US-Militärgefängnis Ermittlungen hätten aufgenommen werden müssen – zumal allein schon die orangefarbenen Overalls im Zusammenhang mit Guantanamo ein Anlass für Recherchen gewesen seien.
Dietrich konterte, auch die Frankfurter Müllabfuhr trage
Berufskleidung in dieser Farbe. SPD-Obmann Hartmann erklärte,
die Kommandeure von US-Militärgefängnissen könnten
Häftlingen Kleider in bestimmten Farben verordnen, bei
Schwerstverbrechern sei dies Orange.
Liste der geladenen Zeugen
Herfried Rebok, Mannheim
Kriminalhauptkommissar Andrew Mielach,
Bundeskriminalamt
Wolf-Dieter Dietrich, Bundesanwalt beim
Bundesgerichtshof