Kritische Stimmen in der Anhörung des Wirtschaftsausschusses
Die deutsche Wirtschaft befürchtet, dass die Versorgung der Unternehmen mit frischem Kapital in Zukunft schwieriger wird, weil die Kapitalkosten steigen und die Anforderungen der Banken für Sicherheiten ebenfalls. In einer öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses zum zweiten Konjunkturpaket am 9. Februar 2009 sagte Werner Schnappauf vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), seine Organisation habe bei der Auswertung einer Unternehmensumfrage festgestellt, dass es eine flächendeckende Kreditklemme derzeit nicht gebe.
Aber es sei festzustellen, so Schnappauf in seiner Stellungnahme
zum Gesetzentwurf zur Sicherung von Stabilität und
Beschäftigung in Deutschland (
16/11740), dass die Kredite für die
Unternehmen teurer würden und die Banken höhere
Anforderungen an die Kunden stellten. Eine Entspannung sei nicht in
Sicht. Immer mehr Firmen müssten große Projekte
verschieben, weil es schwierig sei, große Kredite mit
längeren Laufzeiten zu bekommen.
Schnappauf verlangte, toxische Papiere aus den Bankbilanzen herauszunehmen. Sonst würden die Finanzierungen nicht zum Laufen kommen. Die Kreditmittelversorgung drohe andernfalls zu einem "echten Flaschenhals" für die Wirtschaft zu werden.
Martin Wansleben vom Deutschen Industrie- und
Handelskammertag bestätigte wie Schnappauf, dass es keine
flächendeckende Kreditklemme gebe. Allerdings sei die Lage
für einige Branchen schwierig. Wansleben äußerte
auch die Befürchtung, dass Investitionen im Verkehrsbereich
fehlgeleitet werden könnten. Ortsumgehungen und
Kreisstraßen, für die es
Planfeststellungsbeschlüsse gebe, könnten gebaut werden,
Engpässe auf Autobahnen hingegen bestehen bleiben.
Prof. Dr. Peter Bofinger von der Universität Würzburg erklärte, es sei nicht nachvollziehbar, warum die steuerlichen Maßnahmen des Pakets erst in der zweiten Jahreshälfte 2009 wirksam werden sollten. Das passe nicht zum Verlauf der Krise und sei ein Fehler. Der private Verbrauch sei rückläufig. "Die ganze Story mit dem guten Weihnachtsgeschäft war falsch", erklärte Bofinger.
Der Sachverständige äußerte sich zwar kritisch zur
Abwrackprämie für Altautos, betonte jedoch zugleich, wenn
die Maßnahme den gewünschten Effekt bringe, sei sie
gerechtfertigt. Bofinger kritisierte auch die Absicht, eine
Schuldenbremse einzuführen. Damit würden die deutschen
Sparer ab 2020 veranlasst, ausländischen Staaten Geld zu
leihen. Das sollte in diesem Zusammenhang bedacht werden.
In einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme mit Prof. Dr. Beatrice Weder die Mauro schrieb Bofinger, es müsse in der aktuellen Situation vor allem darum gehen, "die sich seit Mitte September herausgebildete globale Abwärtsspirale möglichst rasch zu stoppen". Insgesamt leiste das Paket jedoch einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und zugleich zur Stärkung der Wachstumskräfte.
Auch die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung zieht in
einer schriftlichen Stellungnahme den Schluss, dass das Programm
trotz seines beachtlichen Volumens zu spät komme. Wegen der
zeitlichen Verzögerungen sei ein Schrumpfen der Wirtschaft in
diesem Jahr nicht zu verhindern. Der Mitteleinsatz sei allerdings
wegen des hohen Anteils an Steuer- und Abgabensenkungen
ineffizient.
"Wenige Meter vor dem Abgrund"
Dr. Hans D. Barbier von der Ludwig-Erhard-Stiftung sagte mit Blick auf die geplanten Steuersenkungen, ihn bringe es an den Rand der Verzweiflung, "dass dieses Land und seine Parteienlandschaft nicht davon ablassen können, sich Verteilungssorgen zu machen". Man stehe wenige Meter vor dem Abgrund. So eine Politik sei für ihn für längere Zeit diskreditiert.
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