Entwicklungsausschuss befragte Experten in einer Anhörung
Peter Wolff vom Deutschen Institut für
Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn bezeichnete die Krise als
„außergewöhnlich“. Man könne davon
ausgehen, dass sich die Wachstumsraten in den Entwicklungs- und
Schwellenländern in diesem Jahr „in etwa
halbieren“ werden.
Die Gründe seien vielfältig. Zum einen hätten sich die Finanzierungsmöglichkeiten für diese Länder auf den internationalen Kapitalmärkten drastisch verschlechtert. Die Risikoaufschläge seien deutlich erhöht worden und ausländische Direktinvestitionen gingen zurück. Diese Probleme träfen vor allem Schwellenländer, weil sie sich stärker auf den Kapitalmärkten refinanzierten.
Zum anderen gebe es einen starken, weltweiten
Nachfragerückgang, der besonders jene Länder massiv
treffe, die stark in den Welthandel integriert seien und Rohstoffe
exportierten. „Bei den ostasiatischen Ländern gibt es
mit 30 bis 40 Prozent die größten
Rückgänge“, so Wolff.
Louis Kasekende von der Afrikanischen Entwicklungsbank in Tunis betonte, viele afrikanische Länder hätten in den vergangenen Jahren vom weltweiten Handel profitiert. Nun seien viele Preise, etwa für Öl, Kaffee, Diamanten und Grunderzeugnisse gesunken. Daher habe die Krise große Auswirkungen etwa auf ölexportierende Länder wie Angola und Nigeria.
Aber auch Ägypten, Kenia, Südafrika und Uganda
„leiden sehr“, so Kasekende. Nicht zuletzt ginge
vielerorts der Tourismus stark zurück, und Investoren
würden Projekte aufschieben. „All das ist mit enormen
Arbeitsplatzverlusten verbunden“, sagte Kasekende.
Yash Tandon vom South Center in Genf warf den westlichen Industrieländern vor, die schwere Krise in den vergangenen 30 Jahren durch eine „Kapitalisierung der Produktion“ ausgelöst zu haben. Bankgeschäfte und Finanzen seien wichtiger gewesen als Arbeitsplätze und Produktion. Als Beispiel nannte er die Spekulationen auf Nahrungsmittel, die zu den im vergangenen Jahr massiv gestiegenen Nahrungsmittelpreisen geführt hätten.
Wolfgang Kroh von der Kreditanstalt für
Wiederaufbau (KfW) beurteilte die Situation als nicht ganz so
dramatisch. Bisher seien die Entwicklungsländer im Vergleich
zu den Industrieländern „noch relativ gering
betroffen“. Vielen von ihnen hätten in den vergangenen
Jahren ein hohes Wachstum erzielt, hätten ihre Entschuldung
vorangetrieben und Reformen vorgenommen, die zu einer
stärkeren institutionellen Handlungsfähigkeit
geführt haben.
„Die Entwicklungsländer sind daher heute besser gewappnet als noch vor einigen Jahren“, sagte Kroh. Dem widersprach Peter Wahl von der Nichtregierungsorganisation „Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung“ (WEED) ausdrücklich.
„Wenn man sich einmal die Stellungnahmen von führenden
Finanzpolitikern und führenden Repräsentanten der
Finanzindustrie ansieht, dann ist das eine einzige Kette von
Irrtümern, Unterschätzungen und Gesundrederei“,
sagte Wahl. Die Krise schwappe gerade in vollem Maße in die
Entwicklungsländer über, die Prognosen seien
dramatisch.