Gesundheitsausschuss befragte Experten zur Diamorphin-Behandlung
Die mögliche Behandlung Schwerstabhängiger mit künstlichem Heroin auf Kosten der Krankenkassen stößt bei Experten auf ein gegensätzliches Echo. Dies wurde am 23. März 2009 bei einer Sachverständigenanhörung des Gesundheitsausschusses deutlich.
Gegenstand der Anhörung waren zwei fast gleichlautende
Gesetzentwürfen einer Abgeordnetengruppe von SPD, FDP, Die
Linke und Bündnis 90/Die Grünen (
16/11515) und des Bundesrates (
16/7249) sowie ein Antrag zahlreicher
Unions-Parlamentarier (
16/12238).
Während die Gesetzentwürfe darauf abzielen, die Behandlung mit synthetisch hergestelltem Heroin – so genanntes Diamorphin – in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu integrieren, wollen die Unions-Abgeordneten ein 2002 in mehreren Städten gestartetes und mittlerweile abgeschlossenes Modellprojekt zur kontrollierten Heroinabgabe fortsetzen.
Für eine Übernahme der Diamorphin-Behandlung in die
GKV-Regelversorgung reiche derzeit der Kenntnisstand nicht aus,
argumentieren die Autoren des Antrags. Den Gesetzentwürfen
zufolge sprechen dagegen die Ergebnisse der Modellprojekte
dafür, eine Diamorphin-Behandlung für eine „klar
begrenzte Zielgruppe Opiatabhängiger“ zu
ermöglichen. Damit könnten schwerstkranke
Heroinsüchtige, „die bislang nicht erfolgreich behandelt
werden konnten, künftig verstärkt therapeutisch behandelt
werden“, heißt es in den Entwürfen.
In der Anhörung betonte auch der Vertreter der Bundesärztekammer, Christoph von Ascheraden, die mit dem Modellprojekt verbundene Studie weise nach, dass die Diamorphin-Behandlung für eine bestimmte Patientengruppe alternativlos sei und helfe, Leben zu retten.
Von einer reinen Fortsetzung des Modellprojekts seien dagegen keine
neuen Beurteilungskriterien zu gewinnen, nach denen man die Gruppe
der Teilnehmer an einer Diamorphin-Behandlung besser abgrenzen
könne. Nach den Gesetzentwürfen soll eine solche
Behandlung nur in Betracht kommen bei Betroffenen, die mindestens
23 Jahre alt und seit fünf oder mehr Jahren abhängig sind
und zudem bereits zwei erfolglose Therapien absolviert haben.
Kritik an diesen Kriterien kam unter anderem von Axel Meeßen vom GKV-Spitzenverband. Er bemängelte, dass ein Großteil der 120.000 bis 190.000 Heroinabhängigen diese Bedingungen erfüllen würde. Nach Schätzungen des GKV-Spitzenverbandes wäre dies bei etwa 70.000 Abhängigen der Fall.
Damit würden sich die Kosten der Diamorphin-Therapie auf 700
Millionen bis eine Milliarde Euro summieren, während nur
ein Drittel davon bei einer Methadon-Behandlung im gleichen Umfang
anfiele. Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung
kritisierte Paul Rheinberger, dass die
vorgesehenen Kriterien „prototypisch für
Heroinabhängige“ und deshalb ungeeignet seien. Danach
kämen für die Heroin-Abgabe sehr viel mehr Betroffene in
Frage als 1.000 oder 2.000 Schwerstabhängige.
Vertreter mehrerer der an dem Modellprojekt beteiligten Städte verwiesen dagegen darauf, dass keineswegs alle vorhandenen Therapieplätze für eine Diamorphin-Behandlung in Anspruch genommen würden.
Befürchtungen, „dass zu viele Patienten kommen
würden“, träfen angesichts der engen
Zugangsvoraussetzungen nicht zu, sagte etwa Marlis
Bredehorst von der Stadt Köln. Auch Rainer
Blobel aus Karlsruhe betonte: „So viele, die vor der
Tür stehen, gibt es nicht.“