Expertenkritik an der Gegenfinanzierung des Bürgerentlastungsgesetzes
Die meisten Experten haben die von der Bundesregierung geplante Abschaffung der steuerlichen Berücksichtigung von Beiträgen für die Arbeitslosen-, Haftpflicht-, Unfall- und Berufsunfähigkeit scharf kritisiert. In einer Anhörung des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen sahen einige Experten am Mittwoch, 22. April 2009, diesen Versuch der Bundesregierung sogar als verfassungswidrig an. Einhellig begrüßt wurde dagegen die aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vogesehene stärkere steuerliche Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wies zum Regierungsentwurf
für ein Bürgerentlastungsgesetz (
16/12254) darauf hin, dass Bezieher
höherer Einkommen erneut stärker entlastet würden
als Menschen mit geringem Einkommen. Der Deutsche
Steuerberaterverband lobte die stärkere Berücksichtigung
von Krankenversicherungsbeiträgen. Dieser Teil sei
verfassungskonform umgesetzt.
Bei der Streichung der anderen Beiträge stelle sich jedoch die Frage, ob dies mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Freistellung des Existenzminimums zu vereinbaren sei. Die vorgesehene Günstigerprüfung, bei der das Finanzamt prüfen muss, ob die alte oder die neue Rechtslage bei der Absetzbarkeit dieser Sonderausgaben für den Steuerzahler günstiger ist, bezeichnete der Steuerberaterverband als „äußerst kompliziert“.
Der Bund der Steuerzahler kritisierte, dass der Gesetzgeber wie so
oft erst auf Druck der Gerichte tätig geworden sei. Die
Organisation unterstützte die Forderung des Bundesrates, im
Zusammenhang mit dem Gesetzesvorhaben auch den Sonderausgabenzug
von privaten Steuerberatungskosten wieder zuzulassen. Weiter
erklärte die Organisation, es wäre besser gewesen, die
Beitragszahler bereits früher als geplant ab 2010 steuerlich
zu entlasten. Das wäre ein wirksamer Beitrag für ein
Konjunkturprogramm gewesen.
Die Deutsche Steuergewerkschaft bezeichnete die verbesserte Abzugsmöglichkeit von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen als „teurere und kompliziertere Variante". Es wäre besser und billiger gewesen, den steuerlichen Grundfreibetrag zu erhöhen. Die Organisation befürchtet „größten Ärger in den Finanzämtern“. Die Steuerzahler seien in diesem Bereich „unerbittlich“.
Die Steuergewerkschaft empfahl einen begrenzten Betrag zur
Absetzbarkeit von Beiträgen an diese Versicherungen. Damit
könne man sich auch die Günstigerprüfung sparen. Der
Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine vertrat die Ansicht, rein
fiskalische Gründe hätten zur Ausgrenzung der
Beiträge zur Haftpflicht-, Unfall-, Berufsunfähigkeits-
und Arbeitslosenversicherung geführt. Die Organisation sah
dies als „verfassungsrechtlich höchst
problematisch“ an.
Allerdings wiesen mehrere Sachverständige auf Fragen von Abgeordneten darauf hin, dass nach heutiger Rechtslage die Beiträge zu diesen Versicherungen zwar bei der Steuererklärung angegeben werden könnten, sich aber in vielen Fällen nicht auswirken würden, da mit den gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträgen die Höchstgrenzen bereits überschritten seien.