Bundestag erweiterte den Kreis der Anspruchsberechtigten
Es sei ein guter Tag für Opfer von Gewalttaten: Darin waren sich die Fraktionen des Bundestags am Donnerstag, 23. April, einig. 45 Minuten lang debattierten sie die Neuregelung des Opferentschädigungsgesetztes (OEG). Danach werden künftig sowohl deutsche Staatsbürger, die im Ausland Opfer von Gewalttaten wurden, als auch geschädigte Ausländer, die sich nur vorübergehend hier aufhalten und bis zum dritten Grad mit dauerhaft hier lebenden Personen verwandt sind, entschädigt. Alle Redner betonten, wie wichtig es sei, dass diese Reform nach jahrelanger parlamentarischer Debatte erreicht wurde.
Der Gesetzentwurf der Koalition (
16/12273), dem mit Ausnahme der Linken alle
Fraktionen zustimmten, sieht vor, dass das Territorialprinzip
künftig aufgehoben wird. Danach war es bislang nur
möglich, Menschen nach dem OEG zu entschädigen, die auf
deutschem Staatsgebiet Opfer von Gewalttaten wurden.
Siegfried Kauder begrüßte dies für die Union ausdrücklich: Es sei nicht zu verstehen, warum bislang eine spanische Frau, die auf deutschem Staatsgebiet von einem italienischen Täter vergewaltigt worden sei, bei der Frage der Entschädigung besser gestellt gewesen sei als eine deutsche Frau, die in Spanien von einem Italiener vergewaltigt worden sei. Das Dogma des Territorialprinzips aufzuheben, habe sehr lange gedauert und bewiesen, dass Demokratie gelegentlich ein „schwerfälliges Instrument“ sei.
Für die SPD erklärte der Parlamentarische
Staatssekretär Franz Thönnes, das Gesetz sei ein
„gutes parlamentarisches Ergebnis“. Dass nun der Kreis
der Anspruchsberechtigten auch auf Menschen ohne deutsche
Staatsbürgerschaft, die hier Verwandte bis zum dritten Grad
besuchten, ausgedehnt worden sei, sei „gut so“. Es
zeige, dass Opfer vorsätzlicher Gewalttaten in
„Deutschland materielle Unterstützung durch die
Gesellschaft“ erhielten.
Diesen Opfern müsse unbürokratisch und schnell geholfen werden, erklärte auch der Liberale Jörg van Essen. Er begrüßte zudem, dass nun auch hinterbliebene Lebenspartner von Opfern von Gewalttaten entschädigt werden könnten. Auch für Jerzy Montag von den Grünen ist diese Regelung ein Erfolg – er beklagte jedoch, dass es genau dieser Punkt gewesen sei, der sich jahrelang als „Hemmschuh“ für die Reform erwiesen habe.
Es sei „drei Jahre lang nicht möglich gewesen, die Union
davon zu überzeugen“, dass hinterbliebene Ehepartner und
eingetragene Lebenspartner gleich behandelt werden müssten.
Auch jetzt sei der Koalition das „Kunststück“
gelungen, diese Regelung in einer „kaskadenhaften
Verweiskette“ zu verstecken und die Lebenspartner nicht
ausdrücklich zu benennen. Dies sei „kleinlich“.
Dennoch stimmten sowohl Liberale als auch Grüne dem
Gesetzentwurf zu und erklärten eigene Gesetzentwürfe (
16/585,
16/1067) für hinfällig.
Nur die Linksfraktion stimmte dem Gesetzentwurf nicht zu und enthielt sich der Stimme. Ihr Sprecher Jörn Wunderlich erklärte, seine Fraktion begrüße die Reform zwar, die „längst überfällig“ sei, halte sie aber nicht für weitgehend genug. Das Recht auf Entschädigung folge aus dem staatlichen Gewaltmonopol und dürfe nicht abhängig vom aufenthaltsrechtlichen Status sein.
„Jeder Mensch“, der auf dem Territorium des Staates
Opfer einer Gewalttat werde, müsse entschädigt werden:
„Differenzierungen zwischen Opfern verbieten sich.“
Zudem sei es inakzeptabel, dass die Höhe der
Entschädigung für Opfer in Ost- und Westdeutschland
unterschiedlich sei und so der Eindruck entstehe, es gebe Opfer,
die weniger wert seien als andere.
Mit ihrem Votum folgten die Abgeordneten der Beschlussempfehlung
des Sozialausschusses (
16/12697), der zuvor die Annahme des
Gesetzentwurfs und die Ablehnung der Oppositionsvorlagen empfohlen
hatte (
16/12697).