BaFin-Mitarbeiter weist Vorwürfe vor dem Untersuchungsausschuss zurück
Die Zahlungsunfähigkeit der Depfa-Bank, einer irischen Tochter der Hypo Real Estate (HRE), war nach Angaben des Referatsleiters bei der Bankenaufsicht BaFin, Stefan Schrader, trotz eines „wachsenden latenten Liquiditätsrisikos“ bis zur Pleite der US-Bank Lehman Brothers im September 2008 nicht absehbar. Die kurzfristige Geldbeschaffung sei für die Depfa auf dem schon seit Frühjahr 2008 von Verwerfungen geprägten Kreditmarkt zwar zusehends schwieriger geworden, habe jedoch bis September funktioniert, sagte der bei der BaFin mit der Kontrolle von Pfandbriefbanken befasste Schrader am Donnerstag, 4. Juni 2009, vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zur HRE.
Das Gremium soll die Vorgänge um den vor allem durch die
Schieflage der Depfa verursachten HRE-Beinahekollaps
aufklären. Schrader, der zum Auftakt der Zeugenvernehmungen
mehr als vier Stunden befragt wurde, betonte, das Aus von Lehman
Brothers und die folgende Lahmlegung des Interbankenmarkts, die der
HRE-Tochter die kurzfristige Refinanzierung im nötigen Umfang
unmöglich gemacht habe, seien nicht absehbar gewesen:
„Niemand hatte diese Weitsicht“, sagte der Zeuge.
Er widersprach Vorwürfen, die Bankenaufsicht habe im Falle von Depfa und HRE geschlafen und zu spät reagiert. Vor dem Hintergrund der vorherigen Krisen bei der SachsenLB und der IKB-Mittelstandsbank habe die BaFin nach ersten Warnmeldungen der HRE-Spitze vom Januar 2008 eine Ende Februar/Anfang März von der Bundesbank vorgenommene Sonderprüfung der Depfa veranlasst. Zudem habe man sich von Mitte März an von der HRE täglich Berichte zur Liquiditätslage übermitteln lassen. Es habe aber bis zum Herbst 2008 keine kontinuierliche Verschlechterung der Geschäftslage gegeben; bis zur Lehman-Pleite habe bei der Depfa die Liquiditätszufuhr auf dem Geldmarkt funktioniert.
Schrader erläuterte, dass bei der Sonderprüfung in Irland
„erhebliche Mängel“ beim Risikomanagement der
Depfa offenbar geworden seien. Deshalb habe die BaFin Ende Juli
2008 bei einem Gespräch mit der HRE-Führung
„Tacheles geredet“ und Auflagen zur Beseitigung der
Defizite verhängt. Die HRE habe über den Fortgang der
Behebung der Missstände berichten müssen. Überdies
sei bei der Depfa für Anfang 2009 eine Nachprüfung
geplant gewesen.
Angesichts dieser Situation fragten mehrere Abgeordnete, ob das Desaster bei der Depfa vom September nicht doch hätte abgesehen werden können. Dazu sagte der Zeuge, die Qualität eines Risikomanagements sage nichts über die Liquiditätsausstattung eines Instituts aus, die im Falle der Depfa nach dem Aus von Lehman Brothers schlagartig zusammengebrochen sei.
Schrader erklärte, die HRE-Tocher habe das
Geschäftsmodell einer kurzfristigen Refinanzierung
langfristiger Engagements bei Staatsfinanzierungen „besonders
aggressiv“ betrieben. Das Finanzministerium sei über den
Fortgang der Depfa-Überprüfung mehrfach unterrichtet
worden.
Die damals auch für die HRE zuständige Bafin-Abteilungsleiterin Frauke Menke führte aus, dass Marktanalysen und geschäftspolitische Entscheidungen einer Bank keine Angelegenheiten der Bankenaufsicht seien. Sie betonte wie zuvor Schrader, dass man die HRE und deren irische Tochter über das rechtlich vorgegebene Maß hinaus überwacht habe. Die Depfa, sagte der Referatsleiter, unterliege eigentlich der irischen Bankenaufsicht, doch habe man auf informellem Wege die Sonderprüfung durch die Bundesbank im Frühjahr 2008 ermöglicht.
Dass anders als nach den heutigen Regeln die HRE als Holding
mehrerer Institute seinerzeit nur in eingeschränktem
Maße der Bankenaufsicht unterstand, hatte laut Schrader bei
der BaFin ein „ungutes Gefühl“ und
„Bauchschmerzen“ ausgelöst. Die HRE habe sich
jedoch bereit erklärt, die nötigen Daten zur
Liquiditätslage freiwillig zu übermitteln.
„Aufsicht funktioniert nicht nur mit Paragrafen“,
fügte der Zeuge hinzu.