Bundestag stimmte Erweiterung des Operationsgebiets der Bundesmarine zu
Die vor der somalischen Küste stationierten deutschen Marineeinheiten werden künftig Piraten bis in das Hoheitsgebiet der Seychellen hinein verfolgen. Ein entsprechender Antrag der Bundesregierung passierte den Bundestag am Donnerstag, 18. Juni 2009, nach namentlicher Abstimmung.
Ergebnis namentlichen Abstimmung
Als Einsatzzone der EU-geführten Atalanta-Mission wurde
bislang ein Gebiet von 500 Seemeilen (960 Kilometer) vor der
Küste Somalias und dessen Nachbarländer definiert.
Mittlerweile haben die Piraten jedoch „ihre Aktivitäten
an die Grenzen des Operationsgebietes und darüber hinaus
verlagert“, schrieb die Bundesregierung in ihrem Antrag (
16/13187).
Deutschland hat Interesse an Sicherheit
Besonders in den Gewässern um die Seychellen sei es zu Angriffen auf Schiffe gekommen. Da das bisher festgelegte Operationsgebiet nur einen kleinen Teil des Seeraums um die Inselgruppe herum umfasst, wird das Einsatzgebiet nun auf die Seychellen ausgeweitet. Die Regierung folgte mit ihrem Antrag einem Beschluss des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees der EU vom 19. Mai 2009.
„Die Bundesrepublik ist am stärksten von der Piraterie
am Horn von Afrika betroffen“, unterstrich der
SPD-Abgeordnete Niels Annen das deutsche Interesse an der
Ausweitung der Operation. „Lassen wir die Piraten
gewähren“, so Annen weiter, „steigen aufgrund
höherer Versicherungsbeiträge und Umwegen, die von den
Schiffen gefahren werden müssen, die Kosten für die
Wirtschaft erheblich.“ Annen rief die Reeder, die es noch
nicht getan haben, auf, sich auch schützen zu lassen und sich
beim MSC (Maritime Safety Committee) zu registrieren.
„Placebo-Aktion“
Mit der Ausweitung des Operationsgebiets vergrößert sich die Zone, in der die Kriegsschiffe der EU-Mitgliedstaaten die Seeräuber bekämpfen dürfen, von 3,5 auf dann fünf Millionen Quadratkilometer. Eine Aufstockung des Marine-Kontingents ist trotz der geplanten Vergrößerung des Einsatzgebietes nicht vorgesehen.
Dies stieß auf Kritik aus Reihen der Liberalen. Die
FDP-Abgeordnete Birgit Homburger forderte, die Zahl der
Militärschiffe in der Region zu erhöhen und die Piraterie
aktiv durch die Beschlagnahmung von Schiffen und die Festnahme von
Piraten zu bekämpfen. Andernfalls sei alles eine
„Placebo-Aktion“, sagte sie. Weiterhin seien auch
politische Maßnahmen zur Stabilisierung der Region notwendig,
so Homburger.
An Atalanta führt kein Weg vorbei
Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU) betonte, wie wichtig die Mission für die Region sei. „Die Piraterie ist in Somalia zu einer höchst lukrativen Industrie geworden. Vor Ort gibt es aber keine Ordnungsmacht, die den Piraten Einhalt gebieten könnte“, erklärte Wellmann.
Ohne Atalanta kämen keine Hilfslieferungen nach Somalia,
Schwellenländer wie Indien könnten keine Güter nach
Europa exportieren und der Verkehr im Suez-Kanal käme zum
Erliegen. Auch auf dem Weg zur Konsolidierung Somalias führe
an der Mission kein Weg vorbei, fuhr Wellmann fort.
Linke gegen die Mission
Einzig die Linksfraktion lehnt den Einsatz deutscher Kräfte vor Somalia ab. „Es darf zwar keinen Raum für Piraterie geben, aber nach deutschem Recht ist Piraterie eben Sache der Polizei und nicht der Bundeswehr“, sagte Prof. Dr. Norman Paech (Die Linke) und forderte stattdessen den Aufbau einer UN-geführten Mission der Anrainerstaaten vor Somalia.
Angesichts einer Vergrößerung des Operationsgebietes
warnte Paech, dass die Bekämpfung der Seeräuber schon in
der bisherigen Einsatzzone eine schwere Aufgabe gewesen sei. Auf
noch größerem Raum sei sie nicht mehr möglich.
Außerdem fürchtet er, dass sich mit dem Einsatzgebiet
auch der Konflikt ausdehnt. Der richtige Weg sei es, „die
illegale Fischerei und das Mülldumping vor der Küste
Ostafrikas zu stoppen“, denn dies führe die Menschen in
die Piraterie.
Hilfsgüter können nicht warten
Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) erteilte besonders Paechs Vorschlag, einer Mission der Anrainerstaaten eine Absage. „Die Hilfsgüter können nicht warten, bis diese Staaten eine gemeinsame Küstenwache aufgebaut haben“, sagte Trittin. Schließlich seien Zehntausende Somalis auf die Lieferungen angewiesen.
Mit 475 Ja-Stimmen (bei 42 Gegenstimmen und zehn Enthaltungen) nahm
der Bundestag den Antrag der Regierung an und folgte damit einer
Beschlussempfehlung (
16/13393) des Auswärtigen Ausschusses.
Piraten abschrecken
Bereits im Dezember 2008 hatten die Abgeordneten der Teilnahme Deutschlands an der EU-geführten Atalanta-Mission zugestimmt. Derzeit beteiligt sich die Bundesrepublik mit rund 650 Soldaten und mehreren Schiffen an der Operation, die vorerst bis Mitte Dezember 2009 angesetzt ist.
Mit Atalanta verfolgt die Europäische Union das Ziel, die
Piraten vor Somalia abzuschrecken und deren seeräuberischen
Aktivitäten einzudämmen. Vor allem Schiffe mit
Hilfslieferungen des Welternährungsprogramms und anderen
humanitären Hilfsgütern sollen geschützt werden.