Bürgerentlastungsgesetz und niedrigere Steuer auf Agradiesel beschlossen
Der Bundestag hat am Freitag, 19. Juni 2009, das so genannte Bürgerentlastungsgesetz verabschiedet. Danach sind Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge künftig steuerlich voll absetzbar. In dem Gesetz enthalten sind auch befristete Änderungen der Unternehmenssteuerreform, die Betrieben die Chance bieten sollen, besser durch die Finanzkrise zu kommen. Ebenfalls angenommen wurde ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Änderung des Energiesteuergesetzes, das die Senkung der Steuer auf Agrardiesel vorsieht.
Das Bürgerentlastungsgesetz (
16/12254,
16/12674) und die Änderung des
Energiesteuergesetzes (
16/12851,
16/13416) wurden jeweils in dritter Lesung mit
den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der FDP und
von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Linken
angenommen. Abgelehnt wurden hingegen ein Gesetzentwurf der FDP zur
Korrektur der Unternehmenssteuerreform (
16/12525,
16/13429,
16/13440) sowie ein Antrag der Liberalen, die
Belastungen der deutschen Agrarbranche durch die Ökosteuer
deutlich zu verringern (
16/11670,
16/13416).
Gabriele Frechen (SPD) betonte in der Debatte, dass das Bürgerentlastungsgesetz im parlamentarischen Verfahren „wesentliche Änderungen“ erfahren habe. So blieben entgegen dem ursprünglichen Entwurf, der als „Gegenfinanzierung“ der künftig vollen steuerlichen Absetzbarkeit der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vorsah, sonstige Vorsorgeaufwendungen wie Arbeitslosen- oder Unfallversicherung von der Freistellung auszunehmen, alle bisher abzugsfähigen Versicherungen auch in Zukunft absetzbar.
Von dem Gesetz würden gezielt „auch Menschen mit
niedrigerem Einkommen profitieren“, so die stellvertretende
Vorsitzende des Finanzausschusses. Als Erfolg vor allem der
Sozialdemokraten hob sie die Ausweitung des Kreises der
Anspruchsberechtigten für das Schulbedarfspaket hervor. So
wird bei Kindern aus Haushalten, die Hilfe zum Lebensunterhalt
benötigen, der bisher auf Schüler bis zur zehnten Klasse
beschränkte Jahresbetrag von 100 Euro auf die Jahrgangsstufen
elf bis 13 ausgedehnt. „Insgesamt profitieren von dieser
kleinen, aber feinen sozialdemokratischen Änderung 200.000
Kinder“, so die SPD-Abgeordnete.
Carl-Ludwig Thiele (FDP) wies darauf hin, dass die Entlastung auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurückgehe, „weil die Bürgerinnen und Bürger jahrelang verfassungswidrig zu hoch besteuert worden“ seien. „Dieses Gesetz ist vom Bundesverfassungsgericht erzwungen worden“, so der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion.
Scharfe Kritik übte Thiele insbesondere an den Änderungen
der Unternehmenssteuerreform, die „überhaupt nicht
ausreichend“ seien. Vor allem deren zeitliche Befristungen
seien Unfug und nicht erklärbar, sagte der FDP-Abgeordnete und
verwies auf den Gesetzentwurf seiner Fraktion zur Korrektur der
Unternehmenssteuerreform.
Hingegen sagte Eduard Oswald (CDU/CSU), dass die Koalitionsfraktionen mit den Änderungen der Unternehmenssteuerreform „die Erwartungen aus der Wirtschaft unmittelbar aufgegriffen“ hätten. Der Vorsitzende des Finanzausschusses wies unter anderem auf Änderungen an der Sanierungsklausel für Unternehmen hin, die auf Drängen von CDU/CSU und SPD in letzter Minute in den Gesetzentwurf aufgenommen wurden. Damit sollen Unternehmen für zwei Jahre befristet bei der Übernahme eines anderen Unternehmens dessen Verlustvorträge steuerlich besser nutzen können.
Oswald ging auch auf die Änderung des Energiesteuergesetzes
ein. Alle landwirtschaftlichen Betriebe würden ohne
Einschränkungen von dem günstigeren
Mineralölsteuersatz profitieren. „Mit dieser Regelung
helfen wir, die Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe zu
sichern“, so Oswald.
In diesem Punkt stimmte ihm Dr. Barbara Höll zu. An dem geplanten Bürgerentlastungsgesetz hatte die steuerpolitische Sprecherin der Linksfraktion allerdings einiges auszusetzen. So seien die Besserverdienenden „wieder einmal die großen Gewinner“ bei der steuerlichen Absetzbarkeit der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Auch die geplante befristete Erhöhung der Freigrenze bei der Zinsschranke kritisierte Höll scharf, da diese Regelung zeige, dass die Große Koalition nicht wirksam gegen Steuerhinterziehung vorgehen wolle.
Christine Scheel (Bündnis 90/Die Grünen) kann im
Bürgerentlastungsgesetz „nur Stückwerk“
erkennen, aber keine „solide Politik, die in die Zukunft
weist“. Es sei grundsätzlich richtig, dass Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge künftig steuerlich voll
absetzbar seien, so die finanzpolitische Sprecherin der
Grünen-Fraktion. Allerdings sei dies kein Verdienst der
Großen Koalition, sondern eine Vorgabe des
Bundesverfassungsgerichts.
Trotz einiger positiver Regelungen wie die Anhebung der Höchstgrenze für anrechnungsfreie Einkünfte von volljährigen Kindern seien die geplanten Maßnahmen insgesamt nicht wirksam genug. Ihre Fraktion lehne das Bürgerentlastungsgesetz daher ab.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) verteidigte das
Gesetzesvorhaben. Er wies darauf hin, dass sich die Bundesrepublik
in der tiefsten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit befinde. Die
Bundesregierung müsse daher gegensteuern. „Wir
können die Krise nicht verhindern, aber wir können sie
etwas abfedern, etwas verkürzen“, so der Finanzminister.
Aus diesem Grund würden Bürger und Wirtschaft gezielt
entlastet.
Durch das Bürgerentlastungsgesetz würden 60 Millionen Bürgerinnen und Bürger, also 85 Prozent aller in Deutschland Steuerpflichtigen, um 9,5 Milliarden Euro jährlich entlastet. Die Entlastung für die Unternehmen betrage drei Milliarden Euro jährlich.
Einer kompletten Zurücknahme der Unternehmenssteuerreform
erteilte der Finanzminister hingegen eine Absage. Auch
Steuersenkungen werde es vor dem Hintergrund der massiven
Neuverschuldung „in absehbarer Zeit“ nicht geben.