Die Montagsdemonstrationen in Leipzig, die Friedensgebete in der Berliner Gethsemanekirche und die Massenkundgebungen auf dem Alexanderplatz – das sind die allgegenwärtigen historischer Eckpfeiler, die die friedliche Revolution 1989 in der damaligen DDR eingeleitet haben. In seiner neuesten Veröffentlichung berichtet der Berliner Historiker Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk auch über die stillen Helden, die in der ostdeutschen Provinz ihren Protest gegen das SED-Regime organisierten. In der Bibliothek des Deutschen Bundestages gab der Autor am Mittwoch, 17. Juni 2009, eine Kostprobe aus seinem Buch "Endspiel. Die Revolution von 1989 in der DDR".
Der Autor gibt Einblick in den von Mangelwirtschaft und
Improvisationstalent geprägten DDR-Alltag im Wendesommer 1989.
"Ich bin ein Kind meiner Zeit", sagt Kowalczuk, der aus Ost-Berlin
kommt und jetzt Mitarbeiter der Bundesbehörde für
Stasiunterlagen ist. Er sei nicht jemand, der die "Zone" nur aus
Aktenordnern kenne. Deshalb habe er keine Enzyklopädie
schreiben wollen, sondern ein Stück gelebte deutsche
Geschichte aus seiner Wahrnehmung wiedergegeben.
Und das ist ihm wunderbar gelungen, wie Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt in ihrer Einführungsrede anerkennend sagt. "Wir sollten nicht nur an die deutsche Einheit erinnern, denn vor der Einheit war die Freiheit", sagte die Grünen-Politikerin. Sie sei damals 23 Jahre alt gewesen und habe Theologie in Leipzig studiert.
Doch nicht nur in Berlin, auch Arnstadt in der Nähe ihres
Wohnortes in Thüringen hätten sich die Menschen formiert
und seien auf die Straße gegangen. Damit sei das "Ende einer
bankrotten Parteidiktatur und das Ende von Angst" markiert worden,
erinnert sich Göring-Eckardt. Kowalczyk sei die Darstellung
dieser verschiedenen Aspekte des DDR-Lebens hervorragend gelungen.
"Ihm ist ein wichtiger Brückenschlag vom Zeitzeugen zum
Historiker gelungen", sagte die Bundestagsvizepräsidentin.
Der 7. Mai 1989 ist unumstritten ein historisches Datum und gilt als Startschuss für die Formierung einer breiten Oppositionsbewegung. Damals deckte die Opposition die Fälschung der Kommunalwahlergebnisse durch die SED-Diktatur auf. Hinzugekommen ist eine wachsende Unzufriedenheit der DDR-Bürger, die Kowalczuk anschaulich in seinem Buch beschreibt.
Als ein "kulturgeschichtliches Beispiel" wird das DDR-Vorzeigeauto
Marke Trabant angeführt. 1989 sollte der als "schnittig,
elegant und temperamentvoll" beschriebene Trabant und das zweite
DDR-Auto Marke Eigenproduktion, der Wartburg, mit einem neuen
Viertaktmotor ausgestattet. Die Fertigungslinie wurde in einem
Kompensationsgeschäft von Volkswagen geliefert. Allerdings,
und das hatten die SED-Oberen nicht bedacht, explodierten die
Kosten. So sollte ein Wartburg künftig sagenhafte 30.000
Ost-Mark kosten – das entsprach mehreren Jahreslöhnen
eines DDR-Bürgers.
Die Empörung darüber war in der gesamten Bevölkerung groß, berichtet Kowalczuk. "Die Krise war greifend spürbar." Mit einer ausgeklügelten Propaganda versuchte die SED-Führung zwar noch, den horrenden Preis zu verteidigen. Allerdings, so Kowalczuk, verstärkte die "Wartburg-Krise" den Erosionsprozess des DDR-Regimes.
Der Untergang der DDR lässt sich nur erklären, wenn die
vielfältigen Krisenerscheinungen berücksichtigt werden.
Und diese beschreibt Kowalczuk anschaulich, lebendig und zuweilen
sarkastisch.